Seite:Die Rätselbrücke.pdf/37

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mitten in der Tannhäuserouvertüre brach er plötzlich ab, zog mich hinaus auf den breiten Balkon und flüsterte:

„Ich kann mich irren. Aber – ich glaube es nicht: Fitzgerald hat den Stein selbst gestohlen. Du hast wohl gemerkt, daß ich das Stubenmädchen so hinten herum nach der Vermögenslage Fitzgeralds aushorchte, genauer, daß ich weiteres Material sammeln wollte ähnlich dem, wie es die verkauften Pferde und das verkaufte Auto darstellen. Das Mädchen ahnte nicht, daß sie mir tatsächlich neue Anhaltspunkte dafür gab, daß es mit Fitzgeralds Geschäft schlecht stehen muß, daß er dies aber zu verheimlichen sucht. – Wenn wir alles berücksichtigen, was uns bisher hier aufgestoßen ist, können wir folgendes mutmaßen: Frau Fitzgerald, die um viele Jahre jünger als ihr Gatte und offenbar sehr eitel ist, hat etwas toll gewirtschaftet und ihren Mann in finanzielle Schwierigkeiten gebracht, die vor einem halben Jahr sich fühlbar zu machen begannen. Fitzgerald schränkte darauf hin die Kosten für den Haushalt ein. Seiner Frau mag dies nicht gepaßt haben. Es gab ein Zerwürfnis zwischen den Ehegatten, und die Frau reiste nach London zu ihren Eltern. Um dieser Trennung vor der Welt ein harmloses Mäntelchen umzuhängen, erfand Fitzgerald das Augenleiden, von dem ja auch das Stubenmädchen so merkwürdig wenig wußte. Jetzt steckt Fitzgerald bereits so böse in Zahlungsschwierigkeiten, daß er den Edelstein heimlich veräußern will. Er möchte jedoch auf keinen Fall etwas von seinen Sorgen in die Öffentlichkeit dringen lassen und „stiehlt“ daher selbst den Stein, den er als alter Diamantensucher zerschneiden und die Stücke umschleifen kann. Dann darf er diese Stücke getrost verkaufen.“

„Hm. Mir gefällt diese Theorie nicht sonderlich,“ sagte ich kopfschüttelnd. „Bedenke: wird Fitzgerald gerade Dich hinzuziehen, um diesen –“

„Gerade mich!“ meinte Harst. „Gerade mich, lieber Alter, – denn das schützt ihn gegen den Verdacht, selbst der Dieb zu sein, seiner Ansicht nach am besten. – Wer Harst um Beistand ersucht, muß doch wohl ein reines Gewissen haben, – so soll die Welt denken! – Seine schlecht verhehlte Angst wäre auf diese Art ebenfalls genügend erklärt: er fürchtet, ich könnte ihn durchschauen. Anderseits hofft er aber, mein

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)