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nach unten, um den Polizeiarzt telephonisch herbeizurufen.

Wir waren allein. Harsts Eifer, mit dem er jetzt den Toten untersuchte, fiel mir auf. Als er die rechte, tadellos gepflegte Hand besichtigte, hörte ich, wie er ein leises „Ah – also das ist“s!“ ausstieß.

Er richtete[1] sich wieder auf und begann nun hastig, sich im Zimmer umzusehen. Er tat es in einer Weise, die deutlich zeigte, daß er etwas Bestimmtes suchte. Dann öffnete er die Tür nach dem Schlafzimmer und trat ein. Auf dem Bett lag ein grauer Bogen Packpapier, der noch halbwegs die Form des Gegenstandes beibehalten hatte, der darin eingeschlagen gewesen war. Die Tür hatte Harst offen gelassen, und ich konnte daher beobachten, wie er nun vom Nachttischchen einen jener aus Ton gebrannten und scheußlich bemalten Negergötzen aufhob, von allen Seiten besichtigte und dann damit an eins der Fenster trat. Er hielt jetzt den Götzen, der etwa 50 Zentimeter hoch war, an das rechte Ohr, stellte ihn auf das Fensterbrett, klappte sein Taschenmesser auf und hantierte mit der großen Klinge an der Tonstatue herum. Nach einer Weile brachte er den Götzen wieder an seinen Platz und kam in das Wohnzimmer zurück, drückte die Tür hinter sich zu und flüsterte mit jenem mir so wohlbekannten Ausdruck drohender Entschlossenheit:

„Alles hängt davon ab, wie Fitzgerald sich jetzt benimmt. Man kann dieses jähe Ende Pooks sehr leicht als Beweis gegen Jones Fitzgerald auslegen.“

Wir vernahmen im Flur Schritte und Stimmen. Als erster trat Fitzgerald ein. Hinter ihm tauchte Garner auf. Fitzgerald war bleich und sah völlig verstört aus. Er beachtete uns nicht, starrte nur auf den Toten, und seine Lippen bewegten sich dabei zuckend, ohne deutliche Worte zu formen. Dann bemerkte ich, wie seine Augen feucht wurden. Er kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an, sagte nun leise und halb schluchzend:

„Armer – armer Edward! Armer Junge! Ein solcher Unsinn, Dich zu verdächtigen, gerade Dich!“

Dann wandte er den Kopf nach Garner hin.

„Ich habe mir vorhin nicht Zeit gelassen, Ihnen etwas auf Ihre Worte zu erwidern. Mein Neffe ist niemals der Dieb – niemals! Ich kann Ihnen beweisen, daß Edward


  1. Vorlage: richete
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)