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scharf zu beobachten, überlassen hast, kannst Du billigerweise von mir nicht verlangen, Deine gemütsruhige Trägheit noch zu unterstützen.“ All das sagte er halb scherzend. Aber ich merkte die Absicht: er wollte mir den Dieb nicht näher bezeichnen! – Da fuhr er auch schon fort, indem er meinen Arm drückte: „glaube mir, wenn Du heute in Fitzgeralds Villa genau auf das achtgegeben hättest, was ich tat und sprach, würdest Du fraglos mit Leichtigkeit das Richtige kombinieren können. Aber Du – nicht mal das merktest Du, daß ich in Pooks Schlafzimmer mir die Joppe anschaute! Genau so gleichgültig war Dir mein Gespräch mit dem Stubenmädchen, das uns durch die Räume führte. Dabei enthielt gerade dies Gespräch Antworten vonseiten des Mädchens, die Dich ganz sicher auf eine bestimmte Person hingewiesen hätten.“

Ich grübelte jetzt darüber nach, was denn eigentlich zwischen Harst und dem Mädchen gesprochen worden war. Ich besann mich nur darauf, daß einmal das Mädchen gesagt hatte: „Ach – Master Pook ist etwas jähzornig und mit der Reitpeitsche schnell bei der Hand. Aber er ist auch sehr gerecht. Wer es mit ihm zu tun bekommt, hat’s auch verdient.“ – Mehr wollte mir nicht einfallen.

Jedenfalls war meine Neugier jetzt vollkommen geschwunden. Ich mußte ja zugeben, daß Harald nicht ganz unrecht gehabt hatte, als er meine Bequemlichkeit rügte. – Ich begann nun selbst ein gleichgültiges Gespräch, auf das Harst harmlos und lebhaft einging.

Um halb sechs begaben[1] wir uns an Bord des Dampfers, wo wir durch den Hoteldiener eine Kabine mit zwei Betten bis Sansibar hatten belegen lassen. Pünktlich 6 Uhr stach der „Shurrfield“ in See. Wir standen auf dem Promenadendeck. Harst hatte eine Zigarette im Mundwinkel und warf den Negerkindern auf dem Kai kleine Münzen hin, lachte herzlich über die Balgereien, die dadurch hervorgerufen wurden. Langsam setzte sich der Dampfer in Bewegung. Als die Hafenanlagen allmählich undeutlicher wurden, als der Steamer in Fahrt kam, sagte Harst ruhig:

„Er war wieder da!“

„Wer?“ fragte ich, fügte aber sofort hinzu: „Natürlich der Dieb!“

„Ja – James Palperlon!“


  1. Vorlage: begabeni
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)