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ließ ihn im Lichte der Laterne funkeln und sprühen und meinte: „Ich werde ihn zerschneiden, denn in seinem jetzigen Form ist er unverkäuflich. Eine Million schlage ich dabei bestimmt heraus. Nun kann ich mich bald zur Ruhe setzen, Herr Harst. Dort –“ er zeigte auf einen bestimmten Mauerstein der Wand – „liegt mein Vermögen verborgen. Es sind jetzt alles in allem vier Millionen einschließlich der Rose von Rondebosch. Eine Million fehlt mir noch. Dann mache ich Schluß, kaufe mich irgendwo an und spiele den ehrenwerten Rentner. – Wie wär’s, wenn Sie mir zu dieser Million verhelfen wollten, Herr Harst? Ich habe Sie beide in meiner Gewalt. Daß Sie diesen Keller lebend nicht mehr verlassen, können Sie sich selbst sagen. Wenn Sie mir aber auf Ihr Ehrenwort versprechen, mir eine Million auszuhändigen und mich fernerhin nicht zu behelligen, dann sind Sie beide frei.“

Harst schüttelte sehr energisch den Kopf.

„Das dachte ich mir!“ höhnte Palperlon. „Sie hoffen, Sie werden mir wieder entwischen wie schon so oft! Diesmal gelingt es Ihnen nicht. Sie beide werden spurlos verschwinden, und kein Mensch wird wissen, wo Sie geblieben sind. Es ist jetzt acht Uhr morgens. Um acht Uhr abends ist von Ihnen nichts mehr übrig. Dieses Häuschen wird niederbrennen, nachdem ich diesen Keller entsprechend durch Holz, Stroh und Petroleum hergerichtet habe. – Schade, daß Sie so kläglich enden müssen, Herr Harst! Überlegen Sie sich’s: eine Million! Was macht Ihnen das aus!“

Harst hatte die Augen jetzt geschlossen, regte sich nicht.

Palperlon schien enttäuscht, weil seine Drohungen nichts fruchteten. Er saß eine Weile still da und schaute vor sich hin. Dann änderte er seine Taktik. Er wurde Weltmann; sein Ton war der des wohlmeinenden Freundes, als er sagte: „Herr Harst, Sie können überzeugt sein, daß ich Sie tatsächlich gern schonen möchte. Ich habe Ihnen bereits bei anderer Gelegenheit erklärt, daß ich zu Ihren begeistertsten Bewunderern gehöre. Das ist keine leere Redensart! Gerade ich als Ihr Gegenpol sozusagen vermag am besten Ihre eminenten Fähigkeiten als Detektiv zu beurteilen. Sie haben das Stubenmädchen nach mir ausgefragt, nachdem Sie mich schon im Park bei meiner gärtnerischen Arbeit mit einem Blick gemustert hatten, der für mich ein Warnungssignal war. Sie werden auch den abgerissenen Knopf richtig eingeschätzt

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Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)