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haben. Ich mußte den Verdacht notwendig auf irgend jemand lenken. Daß Edward Pook sich dann den Argwohn Garners so sehr zu Herzen nehmen würde, konnte ich nicht voraussehen. Jedenfalls halte ich hier einen Selbstmord für das wahrscheinlichste. Daß Sie niemand mitgeteilt haben, wer ich in Wahrheit bin, steht für mich fest. Ich kenne Ihre Arbeitsmethode. Es ist fast eine Schwäche von Ihnen, mit Ihrem Belastungsmaterial erst im letzten Moment hervorzutreten. Ich brauche also nicht zu fürchten, daß ich irgendwie bereits in Gefahr bin. – Herr Harst, geben Sie mir Ihr Ehrenwort! Opfern Sie die Million! Sie haben dann Ruhe vor mir, und die Welt auch!“

War das nun alles lediglich Komödie? War es ein ganz raffinierter Versuch, Harst zur Nachgiebigkeit zu bewegen? Wirklich – aus diesem Palperlon war schwer klug zu werden. Der Mensch blieb stets ein besonderer Verbrechertyp!

Harst verhielt sich weiter regungslos. Palperlon schaute ihn forschend an. Harsts Augen waren nach wie vor geschlossen.

„Schade!“ meinte Palperlon. Das war alles, was er noch zu sagen hatte. Dann verließ er den Keller, schloß die dicke Bohlentür ab und schritt mit knarrenden Stiefeln eine Treppe hinan.

Stille nun; Totenstille und undurchdringliche Finsternis.

Plötzlich fühlte ich, wie stark die Schmerzen bereits waren, die mir der unter den Armen durchgezogene Strick verursachte, an dem ich hing. Bisher hatte ich für diese Schmerzen keine Gedanken gehabt. Und – wie lange sollte ich wohl noch in dieser gestreckten Haltung hängen?! Wie lange würde ich die Schmerzen, die sich notwendig steigern mußten, noch ertragen?! Und – was würde überhaupt aus Harst und mir werden?! Würden wir hier unten wirklich lebend verbrannt werden?! Ach – wie gern hätte ich wenigstens ein paar Worte mit Harst gewechselt! Welche Beruhigung wäre es für mich gewesen, wenn ich seine Stimme vernommen hätte, wenn er so herzlich vertraut gesagt hätte: „Lieber Alter –“

Hier riß mein Gedankenfaden jäh ab. – Täuschte ich mich?! War das nicht wirklich –

„Hast Du sehr böse Schmerzen, mein armer Alter?“ raunte Harst aus der Dunkelheit mir zu, – wirklich – Harst.

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Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)