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„Wenn Sie mir nicht helfen, Herr Harst, sehe ich weder Magda noch meinen Mann jemals wieder.“

Harst rückte seinen Sessel dicht neben sie, meinte gütig und mitfühlend:

„Vor mir können Sie sich so geben, wie Ihnen ums Herz ist, gnädige Frau. Vor mir können Sie auch in allem ganz offen sein. Sie müssen es sogar. Denn wenn ich Ihnen helfen soll, muß ich eben alles wissen. – So – und nun berichten Sie mir, was sich in Ihrer Familie ereignet hat. Aber bitte ganz kurz, nur die Hauptsachen. Nach Einzelheiten, die mir wichtig scheinen, werde ich schon fragen.“

Bevor Frau Theresa Knork jedoch beginnen konnte, erschien Inspektor Brodersen. Harst bat ihn, Platz zu nehmen, nachdem er ihm schnell zugeraunt hatte zu verschweigen, daß Blombergs Mörder kein Mann, sondern ein junges Weib sei.

Dann hörten wir die Knorksche Familientragödie. Ich will diese hier in aller Kürze wiedergeben. –

Der Bremer Großkaufmann Johannes Knork war gleichzeitig Generalkonsul der Argentinischen Republik. Er besaß nur ein Kind, eine sehr begabte, aber auch sehr eigenwillige und temperamentvolle Tochter namens Magda. Vor anderthalb Jahren etwa hatte er Frau und Kind für den Winter nach Ägypten geschickt. In Heluan lernten die Knorkschen Damen einen jungen Amerikaner kennen, der sich James Palwson nannte. Palwson war in vielem eine etwas geheimnisvolle Persönlichkeit, besaß aber eine geradezu unheimliche Macht über Frauen. Alles, was an Damen damals in Heluan weilte, schwärmte für ihn. Bereits nach einer Woche merkte Frau Knork, daß Palwson sich um ihre Tochter weit mehr kümmerte, als ihr lieb war. Mit dem feinen Instinkt der erfahrenen Weltdame hatte sie schnell die Abenteurernatur dieses Menschen durchschaut, warnte nun Magda eindringlich vor Palwson und schien damit auch Erfolg zu haben. – James Palwson blieb noch weitere acht Tage und reiste dann ab. Frau Knork atmete auf.

Aber – sie tat es zu früh. Drei Tage nach Palwsons Abreise verschwand Magda spurlos und zwar nach einer Tennispartie im Hotelpark. Frau Knork depeschierte sofort an ihren Gatten, der denn auch fünf Tage drauf in Heluan eintraf. – Magda war jedoch nicht aufzufinden, obwohl der Generalkonsul einen Privatdetektiv von Ruf mitgebracht

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)