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daß ihr Kind von neuem von jenem Abenteurer entführt worden war. Dann brachten die deutschen Zeitungen die ersten Notizen über Harald Harsts Kampf gegen den größten, genialsten Verbrecher aller Zeiten, gegen James Palperlon. Mit Entsetzen erkannten nun erst der Generalkonsul und seine Gattin, wer ihnen ihre Tochter geraubt hatte.

Zwei Monate später wurde in die Knorksche Villa eingebrochen und dabei auch ein in dem Arbeitszimmer des Generalkonsuls in die Wand eingelassenes Stahlschränkchen erbrochen und ausgeplündert. Die Diebe, die Geld und Schmuck im Gesamtwert von 120 000 Mark erbeutet hatten, wurden nicht entdeckt.

Abermals vierzehn Tage drauf mußte[1] der Generalkonsul, der als Hauptaktionär an einer neuen Diamantmine in Südafrika beteiligt war, dorthin reisen. Die Mine, die unweit des Flusses Muwuru im Sululande lag, war infolge der reißenden Strömung und der zahllosen Stromschnellen des Muwuru nur mit Hilfe einer natürlichen Felsenbrücke zu erreichen, der die umwohnenden Sulus den Namen „Brücke der Geheimnisse“ oder „Rätselbrücke“ deswegen gegeben hatten, weil sie angeblich niemanden passieren ließ, der eine der den Sulus heiligen, grünbraun gesprenkelten Matsauaschlangen getötet hatte.

Johannes Knork kehrte aus Afrika nicht heim. Vor drei Wochen hatte seine Gattin die Nachricht erhalten, daß er sich eines Abends kurz vor dem Eintreffen an der Muwurubrücke aus dem Lager entfernt hatte und seitdem verschwunden war. Seine Begleiter nahmen an, er sei von Löwen zerrissen worden.

Frau Knork glaubte nicht an ein solches Ende ihres Gatten. Als sie in ihrer Erzählung bis zu diesem Ereignis gelangt war, fügte sie die Bemerkung ein:

„Niemals werde ich Johannes als tot betrauern, Herr Harst! Er war ein kräftiger Mann, ein vorzüglicher und erprobter Jäger. Er kannte die afrikanischen Verhältnisse ganz genau. Er selbst hat ja bei einer Jagdexpedition im Sululande vor zwei Jahren die Diamantmine am Muwuru entdeckt. – Herr Harst, ich beschwöre Sie: reisen Sie nach Afrika und suchen Sie meinen Gatten. Nur Ihnen traue ich es zu, das Geheimnis seines Verschwindens aufklären zu können.“


  1. Vorlage muße
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Rätselbrücke. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_R%C3%A4tselbr%C3%BCcke.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)