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zauberkräftigen Stein im Kopfe tragen, der unter anderm dem Besitzer das Leben verlängert. Oft werden die Kröten als spukende Gespenster gedacht; öfter sind sie auch, wie in Schweden, unterirdische alte kluge Wesen, die dem in ihr Gebiet Eindringenden großen Schaden zufügen, auch wie die Zwerge, schöne Kinder gegen Wechselbälge vertauschen. In der Schweiz und Tirol sind die Kröten lauter arme Seelen, d. h. wegen begangener Sünden büßende oder aus Bosheit verwünschte Menschen, die allerdings wieder mit Hilfe der Menschen erlöst werden können. Sie sollen sich besonders an Quatembertagen bei Kapellen und an Wallfahrtsorten gern einfinden.

Von Molchen werden ähnliche Sagen erzählt wie von den Kröten.

Einen weitreichenden Inhalt der Sage bildet die Gestalt und das Wesen der Schlange. Schon bei den alten Völkern (Hebräer, Ägypter, Griechen) finden wir sie als mythisch bedeutsam; die nordische Mythologie kennt die Midgards-, die indische die Weltschlange; in Rom schon galten Schlangen als Schutzgeister der Häuser, wie heute noch ähnlich in Böhmen[1] und der Mark[2]. In Schweden kennt man Schlangen als „Husbon“, d. h. Hausschutzgeist.

Wie die Kröten, sollen auch die Schlangen Könige haben, welche goldene Kronen tragen. Wer den Kopf eines solchen Schlangen-, Ottern- oder Wurmkönigs trägt, hat großes Glück. Wer diesen Gewaltigen aber erzürnt, wird wie von einem Pfeil mitten durchbohrt, wie jener fahrende Schüler in Tirol, der durch Zaubermittel und Beschwörungen alle Schlangen in ein verderbendes Feuer lockte, bis auf den erwähnten Wurmkönig, der wütend auf den Zauberer losstürzte und ihn wie ein Speer mitten ins Herz traf. Beim Baden legen die Schlangen die Krone ab; wird sie ihnen gestohlen, so müssen sie entweder selber bald sterben oder aber sie töten den Dieb, falls sie ihn erwischen. Schlangen werden auch als Hüterinnen von verborgenen Schätzen, zu deren Eingängen sie die Schlüssel im Maule tragen, oder als verwünschte Seelen betrachtet. Wenn man ihnen die Krone nimmt, werden sie erlöst. Beim Stehlen der Krone


  1. Grohmann, Sagenbuch aus Böhmen u. Mähren. S. 221.
  2. Pröhle, Deutsche Sagen. S. 86.
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Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)