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reden, halbvermenscht, sie sind dem Menschen gleich nach Vernunft und Lebensweise, ohne aber auch ihre tierische Natur verloren zu haben.

Von verschiedenen in der Sage vorkommenden Tieren erwähnen wir: Wurm, Mücke, Biene, (Marien- oder) Sonnenkäfer, Spinne, Krebs, Kröte, Frosch, Schlange, (Drache), Fisch, Gans, Schwan, Storch, Hahn, Taube, Rabe, Nachtigall, Specht, Kuckuck, Eule, (Greif, Phönix), Eichhörnchen, Hase, Fuchs, Wolf, Hirsch, Bär, Hund, Katze, Schwein, Schaf, Ziege, Rind, Esel, Pferd. Wir sehen also, daß fast alle Tiergattungen vertreten sind, niedere und höhere, wilde und zahme.

In Tirol läßt sich zuweilen, besonders in den Nächten vor den heiligen Zeiten, bei den „Reichen Feldern“, zu hinterst im Alpbachtale, ein „goldener Wurm“ sehen, der über und über leuchtet[1].

In dem von steilen Ufern eingeschlossenen Mohringer See liegt ein großer, mit starker Kette an den Grund angeschlossener Krebs. Reißt er sich los, so muß die Stadt untergehen; wenn der See heult, sagen die Leute: der Krebs tobt unten und will sich lösen; darum hat man schon oft in Angst geschwebt. Im See muß alle Jahre einer ertrinken, und trifft das in einem Jahre nicht zu, so müssen sicherlich im nächsten Jahre zwei dafür büßen[2].

Von Kröten, Fröschen und Unken, den meisten Menschen widerliche Tiere, gibt es viele Sagen; diese Tiere treten besonders als Schatzhüterinnen oder verwünschte Prinzen und Prinzessinnen auf. Im Aargau und in Tirol läßt die Sage Landmädchen durch Kröten zu Gevatter bitten und später zur bestimmten Zeit durch Erdmännchen abholen. Nach geleistetem Dienst und empfangener Bewirtung erhalten die Mädchen meist Kohlen oder Stroh zur Belohnung; diese Gaben verwandeln sich später, nachdem gewöhnlich das Geschenkte als wertlos fortgeworfen war, in reinstes Gold. Auch haben die Frösche ihren König, der eine weißschwarze Krone trägt: wer sie erlangt, kann sie zur Entdeckung geheimer Schätze, zur Erkennung der Hexen und als Hexengift mit Nutzen verwenden[3]. Die Kröte soll auch einen


  1. Alpenburg, Mythen und Sagen Tirols. S. 217.
  2. Adalbert Kuhn, Märk. Sagen u. Märchen. Berl. 1843.
  3. Vergl. Gerles historischer Bllderatlas. II. S. 125 und Henne-Am-Rhyn, a. a. O. S. 108 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/101&oldid=- (Version vom 31.7.2018)