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der Volkssage von heute steht er mit dem Teufel in Verbindung und bringt durch den Schornstein Schätze ins Haus.

Die Drachensagen sind sehr zahlreich; wohl keine Gegend ist gänzlich ohne solche; es fehlt fast nirgends an Drachenfelsen, Drachenhöhlen, Drachenseen usw. Im Engadintale sollen alle Schluchten und Seen von Drachen bewohnt sein. Von vielen Drachen wird erzählt, daß sie von Zeit zu Zeit, meist alle Jahre, ein Opfer, entweder eine Jungfrau oder eine bestimmte Anzahl Menschen heischen, bis sie von einem tapferen Manne erlegt werden. Oft tritt er als strafender Dämon auf, der durch Zerstören eines Sees, durch Verheeren des Landes oder der Ernte eine Gegend unglücklich macht. Der Drache soll in der Erde ruhen, sich nach einigen tirolischen Sagen von Erzen nähren, die in seiner inneren Glut zu reinem Golde schmelzen. Zuweilen erscheint er als schwarze Sau, wie in Mecklenburg oder als goldene Kugel, als Feuerrad, wie in Graubünden und Tirol[1].

Der Schatz, den der Drache hütet, kann auch eine schöne Jungfrau sein, wie auch umgekehrt Jungfrauen in Drachen verwandelt und nur durch einen Kuß erlöst werden können.


Literatur: J. Kainz, Lindwurmsagen in Steiermark. (Die Heimat, hrsg. von J. Ziegler. IV. 1879. Nr. 51.) – Della Torre, Die Drachensagen im Alpengebiet. (Zeitschrift des deutsch. u. österr. Alpenvereins. 1887. S. 208–216).


Sehr nahe verwandt mit dem Drachen ist der Basilisk. Schon bei Plinius tritt diese Gestalt als ungeheure Schlange auf, die durch ihren Blick (den gefürchteten Basiliskenblick) tötet und durch ihre fürchterliche Stimme alle Lebewesen aus der Umgebung vertreibt. Der Basilisk entsteht aus dem Ei eines siebenjährigen Hahns, das durch Kröten und Schlangen an einem dunklen Orte ausgebrütet wird. Er soll gleich dem Schlangenkönig eine Goldkrone tragen und Gold in Menge besitzen. Schon sein bloßer Blick tötet, noch ehe man ihn selbst sieht. Sieht er sich aber in einem ihm vorgehaltenen Spiegel, so muß er selbst sterben. Die orientalischen Völker geben dem Basilisken eine Gestalt, die sich aus Hahn, Kröte und Schlange zusammensetzt und sich auch auf chinesischen Bildern angedeutet findet. Natürlich suchte sich das Volk vor dem Ungeheuer


  1. Vergl. Niederhöffer, Mecklenburgs Volkss. IV. S. 148.
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Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)