Seite:Die Sage-Karl Wehrhan-1908.djvu/36

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Gaul, dem mein Vater das eine Auge zuhielt, an ihm vorbei gebracht werden. In dem nächsten Dorfe, wo er in einem Wirtshaus einkehrte, wurde er aber schon mit Fragen bestürmt, ob er denn richtig an dem großen Hunde vorbeigekommen sei, der in letzter Zeit sich dort habe blicken lassen. Im ganzen Dorfe war die Sage von dem schwarzen Hund schon bekannt, nach den Angaben einiger Leute von Mund zu Mund weiter erzählt.

Nun ist aber dabei zu bedenken, daß eigentlich nur die Lokalisierung der Sage das Neue an der Sache war, der Sageninhalt, der schwarze Hund, die feurigen Augen und dergleichen schon Gemeingut des Volkes waren, in der Gegend vielleicht nur einer gewissen Anzahl von Leuten von andersher bekannt, aber hier durch ein natürliches Vorkommnis belebt und übertragen. In das Gebiet der historischen Sage führen uns folgende Beispiele.

In Küstrin geht die Sage[1], nach den unglücklichen Kriegsjahren 1806 ff. habe die preußische Königsfamilie, veranlaßt durch die Treulosigkeit der Bewohner Küstrins in jenen Jahren, die Stadt eine lange Reihe von Jahren gemieden; die Hohenzollern hätten, wenn unumgängliche Reisen sie doch über Küstrin geführt hätten, ohne Aufenthalt zu nehmen, einen Weg um die Festung herum gewählt. Nach anderer Sage soll die Königsfamilie der Stadt auf dieselbe Weise gezürnt haben, weil die Schützengilde bei der allgemeinen und opferwilligen Erhebung aller Stände in Preußen zu Beginn der Freiheitskriege nicht auch ihre goldene Kette auf dem Altare des Vaterlands geopfert habe.

Tatsache ist folgendes: Nach der unglücklichen Schlacht von Jena und Auerstädt am 14. Oktober 1806 kam der König auf seiner Flucht am 19. Oktober nach Küstrin, erwartete hier seine Gemahlin und seine Kinder und flüchtete am 24. desselben Monats weiter. Eine Menge Silbergerät, Porzellan und Leinenzeug konnte nicht mehr fortgeschafft werden – der Kommandant übergab schon am 1. November ohne Schwertstreich die Festung in die Hände der Feinde – und zwei Maurer wurden beauftragt, die Sachen einzumauern. Während der achtjährigen Besetzung durch die


  1. Nach Berg, G., Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark. VII. 1898. S. 201–203.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)