heute sind sie in allen germanischen Ländern gekannt, besonders aber in den Alpengegenden, in Norddeutschland, England und Dänemark. Belebten die Wassermänner und Nixen das nasse Element, die Holzdämonen den tiefen Wald, die Korngeister das Feld, so die Zwerge vor allem die Berge, Höhlen und Schluchten bis in die Tiefen, welche der Bergmann erreicht und soweit er uns Schätze sucht, deren Hüter gerade die Zwerge sind.
Nach der Sage sind die Zwerge, von denen übrigens auch schon die Griechen berichten, steinalt oder bergalt, nach der germanischen Götterlehre älter als die Menschen. In der Tiroler und Schweizer Sage gelten die Zwerge als gefangene Engel, die aber nicht ganz verdorben, sondern nur verführt sind, und nur bis zum jüngsten Tage auf der Welt bleiben müssen. Nach einer Schleswig-Holsteinschen Sage sind sie von Christus unter die Erde verwünscht, als eine Frau ihm nur ihre schönen Kinder, nicht aber die häßlichen vorstellte, sondern diese im tiefen Keller versteckte. Er sagte dann: „Wat onner es, skal onner bliw, wat bawen es, skal bawen bliw!“
Wie im Nordischen schon das Echo die Sprache der Zwerge hieß, so schreibt man auch in Schwaben den Zwergen das Echo zu. Sie sind in der deutschen Sage, wie schon in der antiken, zauberkundige und geschickte Leutchen, verstehen namentlich die Bearbeitung der Metalle aller Art und haben zu ihrer Ausrüstung eine Tarnkappe, ein mantelartiges Gewand, durch das sie sich jederzeit unsichtbar machen können.
Die Zwerge (althochd. twerg, angels. dweorh, altnord. dvergr) führen außer der schon genannten noch verschiedene andere Namen wie Bergmännlein, Bjergfolk (Dänemark), Underjordiske (ebda.), Wichte, Wichtelchen, Wichtelmännchen, Graumännchen, auch Elbe oder Albe, auf Rügen Mönke und ihre Weibchen Nonnen, in Tirol wie auch in der Schweiz Pechmandl, Norgen, Norken oder Fenken, im Böhmerwald Razeln. Einzelne Zwerge und Zwerginnen werden in der Sage mit besonderen Namen begabt, wie z. B. Jakob, Salome, Rumpelstilzchen, Gänsefuß, Popemannel a. a.
Wie schon gesagt, ist ihre eigentliche Wohnung in Gebirgsklüften und Höhlen, oder in der Erde überhaupt, auch in verfallenem Gemäuer und in hohlen Bäumen, wo sie sich
Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/85&oldid=- (Version vom 31.7.2018)