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sondern nichts anderes als eine der vielen Kopien aus der lombardischen Schule zum Leonardo’schen Sforzamonumente sei.

Denn erstens, so führt der französische Gelehrte aus, liege gar kein Beweis vor, daß diese Münchener Zeichnung wirklich eine der beiden, von Vasari besessenen, sei, welche er auf eigene Faust dem Antonio del Pollajuolo zugeschrieben; und zweitens spräche kein einziger Zug in dieser Münchener Zeichnung für die Autorschaft des A. Pollajuolo, dessen Handzeichnungen ja sehr leicht an den scharfen, rohen, gelben Farbentönen zu erkennen wären, wogegen die zarte, helle, blaßgelbe Farbe der Zeichnung im Münchener Cabinet einen scharfen Gegensatz bilde. Selbst der Strich der Feder sei nicht der des Antonio del Pollajuolo.

Während ich nun nicht umhin kann, dem großen Fleiße und der nicht gewöhnlichen Gelehrsamkeit, die Herr Courajod in dieser seiner Vinci-Sforza Dissertation entwickelt, mein volles Lob zu zollen, ist es mir andrerseits doch unmöglich, die Tendenz zu billigen, in welcher sein Schriftchen abgefaßt ist. Bei allen Forschungen, welcher Art sie immer seien, dürfte die bloße Gelehrsamkeit ohne Methode nur dahin führen, den Wald, wie die Deutschen treffend sagen, vor lauter Bäumen[a 1] nicht mehr zu sehen.

In den Augen des Herrn Courajod giebt es, wie mir scheint, gar keinen charakteristischen Unterschied zwischen Zeichnungen der lombardischen und der florentinischen Schule; für ihn müssen alle Handzeichnungen von Pferden, seien sie aus dem 15., 16., seien sie sogar aus dem 17. Jahrhundert, nothwendigerweise entweder direkt oder indirekt von Leonardo da Vinci herrühren; aus Liebe zu Leonardo werden bei ihm Andrea del Verrocchio und Antonio del Pollajuolo zu bloßen Handlangern, als ob sie keiner eigenen Erfindung fähig gewesen wären; für ihn hat das Zeugniß des Vasari auch da keinen Werth mehr, wo seine Angabe

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Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/129&oldid=- (Version vom 31.7.2018)