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Kunst in ihrem Laufe beschrieben, am vollständigsten übersehen, von den s. g. Byzantinern bis herab auf Tiepolo und Pietro Longhi[1].

Dagegen ist die Malerschule von Ferrara unserem Studium erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zugänglich, wo sie uns als aufblühend und ebenso reich wie eigenthümlich sich entfaltend erscheint[2].

Einerseits waren die Ferraresen von der gelehrten Schule, welche Squarcione ungefähr um 1430 im nahen Padua gegründet hatte, vielfach beeinflußt, andererseits konnte


  1. Wenn ich nicht müde werde, diese Anschauung als von principieller Wichtigkeit zu betonen, so geschieht es nur, weil ich die Kunstjünger Rußlands, die meiner Führung sich zu überlassen geneigt wären, von dem Abwege fern halten möchte, auf dem die Kunstgeschichte von Vasari an, und zwar hauptsächlich durch ihn, bis auf die neuesten Zeiten sich bewegt hat, was sicher den wahren Fortschritt und das Gedeihen der Kunstforschung nur gehemmt hat.
  2. In der städtischen Galerie von Ferrara zeigt man, als aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, ein, die „Dreieinigkeit“ darstellendes Bild, auf Holz gemalt und mit den Initialen GG. bezeichnet (No. 54). Gehört dieses rohe Werk wirklich dem Galasso Galassi an, dem man es dort zuschreibt, so muß es zwei ferraresische Maler dieses Namens gegeben haben, nämlich den ebengenannten, welcher nach Vasari um 1404 auch in der Kirche von Mezzaratta bei Bologna gemalt haben soll, und einen jüngern Galasso Galassi, der, wie ebenfalls Vasari berichtet, um 1438 auf die Welt gekommen wäre, und von dem die zwei Heiligen, Petrus und Johannes der Täufer, auf Holz gemalt, in einer der Unterkirchen von Sto Stefano in Bologna herrühren sollen. Auf dem einen jener Bilder bemerkt man ebenfalls zwei G. Von diesem letzteren Galassi scheint mir auch die h. Apollonia in der Bologneser Pinakothek gemalt zu sein, dort dem Marco Zoppo zugeschrieben, was auch die Herren Cr. und Cav. (I, 349, 4) annehmen. Noch eines andern Malers von Ferrara aus dieser Epoche muß ich hier gedenken, nämlich des Großvaters von Timoteo Viti, Antonio da Ferrara, der lange in Urbino verweilte und daselbst unter anderen 1439 ein Polypticon für die Kirche des h. Bernardinus malte. (Gegenwärtig in der Sammlung der Akademie der schönen Künste von Urbino). Dieser Antonio ist nicht ohne Charakter und steht im Range ungefähr zwischen den Venezianern Jacomello de Flor und Antonio Vivarini.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/145&oldid=- (Version vom 31.7.2018)