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durch und durch venezianische Produktion. Hierin kann man den großen Eindruck wahrnehmen, den die Fresken des Mantegna in der Capella degli Eremitani zu Padua auf Antonello gemacht haben müssen. Auch giebt er sich hierin als Meister in der Linienperspektive zu erkennen. Leider ist dieses Gemälde stark restaurirt worden; so sind z. B. alle Schattenpartieen in der Architektur überkleistert, ebenso der Säulenstumpf im Vorgrunde und die Schatten am Körper, auch jene der Augen und Stirnpartieen des Heiligen; übermalt ist auch der Himmel, – der ursprüngliche Luftton muß – viel heller gewesen sein. Trotzdem beansprucht das Bild ein hohes Interesse, wenn es auch nicht schön genannt werden kann. Wie lebendig und geistreich sind nicht die kleinen Figuren im Mittel- und Hintergrunde hingemalt, auch der eingeschlafene Wächter – eine fast komisch wirkende Gestalt! Wie fein ist die Ausführung bis in die kleinsten Details! Allerliebst ist das Pärchen, das von der Terrasse herabschaut. Dieses Antonello’sche Gemälde muß zwischen den Jahren 1480 und 1490 entstanden sein. So bewunderungswürdig Antonello in seinen Bildnissen ist, so nüchtern und ungelenk steht er vor uns, gilt es eine tiefe Empfindung der Seele zum Ausdruck zu bringen. Man halte nur diesen h. Sebastian gegen jenen tiefbegeisterten des Liberale in der Breragalerie von Mailand (No. 265), und der große Abstand zwischen dem Künstler von Messina und dem Veronesen wird Jedem sogleich in die Augen fallen.

Die Dresdner Galerie hat den Vorzug, von einem andern höchst seltenen Venezianer aus dem 15. Jahrhundert nicht nur eines sondern selbst mehrere Werke zu besitzen, nämlich von Jacopo de’ Barbari, in Nürnberg Walch, d. h. der Italiener, der Wälsche (balbus, der Fremdling) genannt[1].


  1. Der Anonymus des Morelli nennt ihn Jacopo de Barbarino und fügt hinzu veneziano, d. h. aus Venedig gebürtig. Auch Geldenhauer (Vita Philippi Burgundi etc.) nennt ihn Jacobus Barbaras venetus. Trotzdem aber stempelten neuere deutsche Schriftsteller, wie Harzen (Archiv von Naumann, 1855, I, 210) und Passavant (le Peintre Graveur, III, 134) den Jacopo de Barbari zu einem Nürnberger. Professor Thausing, in seinem „Dürer“, wies jedoch dem Jakob Walch nicht nur seinen richtigen Platz in der Kunstgeschichte an, sondern gab den Meister auch Venedig, seiner Heimath, zurück. Und in der That, schon die wenigen bekannten Gemälde von ihm, so auch der größere Theil seiner Stiche, bezeichnen ihn als einen Venezianer. Mehrere seiner bis jetzt unbekannt gebliebenen Werke werden, wie man sehen wird, entweder dem Giovanni Bellini oder dem Antonello da Messina, andere wieder der altflorentinischen oder auch der ferraresischen Malerschule zugeschrieben.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/187&oldid=- (Version vom 31.7.2018)