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überkleistert, würde man ihn aber reinigen, so träte sicher der dem Barbari eigenthümliche Zug der halben Oeffnung desselben wieder zu Tage[1].

Der Christus in der Sammlung von Weimar, der noch im Ausdrucke venezianisch ist, jener andere Christus bei Herrn Direktor Lippmann in Berlin und das Stillleben der Augsburger Galerie sind ebenfalls Bilder, die Jacopo in der Fremde, d. h. diesseits der Alpen ausgeführt haben dürfte denn darin ist, wie mir scheint, der starke Einfluß unverkennbar, den die nordische Kunst auf den Venezianer ausgeübt haben muß.

Zu diesen sieben Bildern des Barbari, die Deutschland besitzt, erlaube ich mir noch ein achtes hinzuzufügen, nämlich ein männliches, treffliches Porträt, welches, wie mir versichert wurde, schon der selige O. Mündler als Werk des Jacopo de’ Barbari erkannte. Dies interessante, sehr hübsche Bildniß befindet sich in der k. k. Galerie vom Belvedere in Wien (4. Saal, No. 36) und wird im Kataloge des Herrn Direktor von Engert der altflorentinischen Schule zugerechnet; ja, um den Meister noch schärfer zu bezeichnen, glaubte Herr von Engert es als dem Massaccio (sic) da S. Giovanni verwandt erklären zu müssen, also auf jeden Fall für florentinisch, wie die Galathea in den Augen seines Collegen an der Dresdner Galerie. Man scheint sich also in beiden Hauptstädten, an der Elbe wie an der Donau, ungefähr den nämlichen Begriff vom Charakter der altflorentinischen Malerschule gebildet zu haben. Das Bildniß der Wiener Galerie stellt einen jungen Mann italienischen Aussehens und in venezianischer Tracht dar, in schwarzem Kleide und mit schwarzem Barett; Brustbild; oben links brachte der Maler ein Lämpchen an, und dies Lämpchen sieht, in meinen Augen wenigstens, sehr nordisch


  1. Man beachte auch die Stellung der Beine, das Auge mit seinen Eigenthümlichkeiten, die klobige Daumenspitze u. s. w.; das Gemälde hat übrigens sehr gelitten.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)