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in der Farbe aus, während andererseits die mit Blattwerk arabeskirte weißliche Gardine hinter ihm an die Art des Giorgione und seiner Nachahmer, wie B. Boccaccino, Marco Marziale u. a. m., erinnert. Das Porträt selbst ist nach der Malweise ausgeführt, die durch Antonello da Messina in Venedig eingeführt und die auch von Giovanni Bellini schon in den zwei letzten Decennien des 15. Jahrhunderts angewendet wurde. Der halbgeöffnete Mund, die vortretenden obern Augenlider, die tiefen scharfen Thränengruben wie die Behandlung der Haarmasse geben auch in diesem Bilde mehr die Hand des Jacopo de’ Barbari als alles andere zu erkennen.

Die bekanntesten Kupferstiche des Meisters vom Caduceo (Merkurstab) datiren, wie ich glaube, großentheils von Nürnberg und Brüssel und gehören daher den letzten zwei Decennien seines Lebens an. Jacopo hat überdies auch Zeichnungen sowohl für Kupferstecher als für Formschneider geliefert, und es genüge hier, zwei solcher Stiche zu erwähnen. Der eine, ein Kupferstich in der Sammlung der Ambrosiana zu Mailand, stellt ein in den Armen eines jungen Mannes eingeschlafenes Mädchen dar und ist Z. A. bezeichnet, also Zuan Andrea. Die Zeichnung verräth den Jacopo de’ Barbari, und der Stich scheint mir zu den Jugendarbeiten des Zuan Andrea zu gehören. Der zweite ist die große Ansicht von Venedig, 1500 in Venedig selbst in Holz geschnitten von einem deutschen Formschneider, welchen für ihn der in Venedig ansäßige, ihm befreundete Anton Kolb aus Nürnberg hatte über die Alpen kommen lassen[1]. Die Zeichnung des Barbari auf diesem Blatte ist noch durchaus venezianisch breit[2], seine Zeichnungen aus


  1. Die Originalholztafeln befinden sich im Museo Correr zu Venedig.
  2. Das heißt mit grober Feder ausgeführt, wie die Jugendzeichnungen von Tizian, von Seb. del Piombo, von Domenico Campagnola, Giambellino u. s. w. Eine ähnlich behandelte Federzeichnung, mit dem Merkurstab bezeichnet, besitzt die Sammlung der Uffizi; es ist eine Skizze zu einem Martyrium, wahrscheinlich des h. Sebastianus.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/191&oldid=- (Version vom 31.7.2018)