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Kunst einzunehmen wohl berechtigt ist, habe ich schon bei Besprechung der Münchner Pinakothek meine Meinung gesagt. Es bleibt mir daher hier nur übrig, seine in diesen Sälen aufgestellten Gemälde zu besprechen. Aus seiner ersten, ziemlich farblosen Manier besitzt die Dresdner Galerie kein Bild[1], wohl aber einige treffliche Werke aus seiner zweiten und dritten oder blonden Manier.

Die s. g. „drei Schwestern“ (?) (No. 243) ist ein weltberühmtes Werk, leider aber durch die Restauration fast ungenießbar geworden. Die „Schwester“ rechts hat am meisten dabei zu leiden gehabt (Augen, Mund und Nase sind ganz und gar entstellt, so daß ihr Ausdruck dadurch unleidlich geworden ist). Dieses Bild befand sich im Jahre 1525 im Hause des M. Taddeo Contarini zu Venedig und wurde mit folgenden Worten vom Anonymus des Morelli (p. 65) in sein Notenbuch eingetragen: El quadro delle tre donne, retratte dal naturale insino al cinto, fù de man del Palma. (Das Bild mit den drei Frauen, nach dem Leben gemalt, ist das Werk des Palma.) Ein andres und zwar ganz vorzügliches Bild, das ebenfalls der nämlichen


  1. Zu den Werken dieser ersten Manier des Palma vecchio rechne ich unter andern die „Ehebrecherin“ in der Galerie des Campidolio zu Rom (dort dem Tizian zugemuthet); Adam und Eva (No. 225) in der Galerie von Braunschweig, daselbst dem Giorgione zugeschrieben; die „römische Lucrezia“ der Borghesegalerie zu Rom. Die zwei ersten der ebengenannten Bilder müssen vor 1512 entstanden sein, da in diesem Jahre der Anonymus des Morelli dieselben im Hause des Messer Francesco Zio in Venedig sah (p. 70). Zur zweiten, kräftigen Manier, welcher seine besten Werke angehören, rechne ich unter andern die s. g. „Bella di Tiziano“, im Hause Sciarra-Colonna zu Rom, das schöne Madonnenbild in der Galerie Colonna (agli apostoli) daselbst, das herrliche Altarbild in der Kirche So. Stefano zu Vicenza, die h. Barbara in Sa. Maria Formosa zu Venedig u. s. w. Zur dritten oder blonden Manier gehört: „Jacob und Rahel“ dieser Galerie – die „Judith“ (No. 619) in der Galerie degli Uffizi in Florenz, die „Anbetung der h. drei Könige“ der Breragalerie in Mailand u. s. w.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/231&oldid=- (Version vom 31.7.2018)