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il Collegio genannt, welches sich im Archive der Kirche der Heiligen Siro e Libera von Verona befindet, daß der im Jahre 1523 in jene Bruderschaft aufgenommene Maler Bonifacio schon im Jahre 1540 verschied. Daraus ergiebt sich, daß es drei Maler dieses Namens gegeben hat, wovon der eine im Jahre 1540, der zweite 1553 starb, während ein dritter im Jahre 1579 noch künstlerisch thätig war.

Die zahlreichen Werke dieser drei Bonifazio haben unter sich eine gewisse Familienähnlichkeit, ungefähr wie auch die Malereien der gleichzeitigen Künstlerfamilie da Ponte, Bassano genannt, und sind nicht leicht von einander zu unterscheiden. Von den zwei älteren Bonifacio gehört jedoch meiner Ansicht nach der eine nicht nur zu den vorzüglichsten Künstlern der venezianischen Malerschule, sondern dürfte wohl als der glänzendste Colorist derselben bezeichnet werden. Als Künstler scheint er mir zwar in seiner heiteren Auffassung und in der leichten Grazie seiner Gestalten sein engeres Vaterland Verona nie verleugnet zu haben, als Techniker jedoch ist er durch und durch Venezianer und läßt in dieser Hinsicht gar keine Beziehung zu den Veronesen erkennen. Zwar sind die Akkorde seiner Farben weder so fein und überraschend wie bei Giorgione, noch so tief, ernst und kräftig wie bei Palma oder Tizian, noch so geistreich wie bei Lotto; aber durch ihren heitern, frohen, harmonischen Glanz üben sie doch einen ganz besonderen Zauber auf das Auge des Betrachters aus.

Der zweite Bonifazio, ein getreuer Nachahmer des eben Genannten, ging so sehr nicht nur in die Malweise, sondern selbst in die Denkweise des ersteren ein, vielleicht seines Bruders oder eines weiteren Verwandten, daß es fast unmöglich ist, die Hand des einen von der des andern zu unterscheiden, zumal in solchen Werken, an denen, wie ich mich überzeugt halte, beide gearbeitet haben. Solcher gemeinsamen Malereien der zwei älteren

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/234&oldid=- (Version vom 31.7.2018)