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wie der Katalog meint, sich auch in Rom aufgehalten habe, muß ich in Zweifel ziehen. Mir wenigstens ist kein schriftliches Dokument bekannt, woraus man einen solchen Schluß ziehen könnte, und in seinen Werken bleibt Dosso stets Ferrarese; in späterer Zeit wird allerdings sein ferraresisches Colorit venezianisch[1], jedoch von Einwirkungen Raffaels sind nirgends Spuren in seinen Werken aufzufinden[2].

Im Jahre 1512 hatte Dosso seine Malereien für den Hof der Gonzaga in Mantua bereits vollendet. Im Jahre 1532 war er auch in Trient thätig, und seine „thronende Madonna mit dem Kinde, dem ein h. Bischof den Cardinal von Cless anempfiehlt“ besteht, zwar sehr verdorben, noch immer im Schlosse daselbst (oberhalb einer Thüre, die in den Rathsaal führt). Dosso’s Bild (No. 264) in dieser Galerie, ein Fragment, stellt die Kirchenväter in Betrachtung über das Mysterium der unbefleckten Empfängniß Mariae dar; es hat leider bei der Uebermalung so sehr eingebüßt, daß man sich an demselben in seinem gegenwärtigen Zustande keinen rechten Begriff von Dosso’s Kunst mehr machen kann.

Besser als Dosso ist hingegen sein Zeitgenosse und Nebenbuhler Garofolo in diesen Sälen repräsentirt, und sein „büßender Hieronymus“ (No. 243), seine „Anbetung


  1. Als im Februar des Jahres 1516 Tizian zum ersten Male an den Hof von Alfons I. nach Ferrara kam, fand er den herzoglichen Maler Dosso bereits im Schlosse eingerichtet und vom Herzoge verköstigt. Es ist leicht erklärlich, daß Dosso’s Zusammenleben mit Tizian unter demselben Dache nicht ohne Wirkung auf den Ferraresen bleiben konnte. Uebrigens ist’s nicht unmöglich, daß Dosso schon vor jener Zeit nach Venedig sich begeben und an den Gemälden eines Giorgione, Tizian, Palma, Lotto u. s. f. das Kolorit studirt habe. Aus dieser seiner guten Zeit besitzt auch Fürst Chigi in Rom ein treffliches Bild.
  2. Daß er für den Herzog Alphons den h. Georg und den h. Michael von Raffael kopiren mußte (wie wir bei der Besprechung der Dresdner Galerie gesehen), will doch wahrlich nicht sagen, daß Dosso von Raffael beeinflußt worden sei.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/300&oldid=- (Version vom 31.7.2018)