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an Perugino, z. B. der Hintergrund mit dem Tempel in der Mitte auf dem die Ausstellung der Leiche des h. Bernardinus darstellendem Bilde. Herrlich ist dann auf dem Mittelbilde die Landschaft mit den steilen durchbrochenen Felsen, den Cypressen und Palmen. Pinturicchio zeigt sich hier als ein Landschaftsmaler ersten Ranges, wofür er auch damals in Rom allgemein muß gegolten haben, da ihm vom Papste Innocenz VIII. der Auftrag zutheil wurde, einige Hallen im Vatican mit Landschaften zu verzieren (Vasari V, 268). Eben diese seine poetischen landschaftlichen Hintergründe waren es, die mir zuerst beim Anblick der zwei großen Wandgemälde der sixtinischen Kapelle die Augen öffneten und den wahren Meister derselben erkennen ließen. Diese zwei berühmten Fresken, in den Jahren 1480–1482 gemalt, und zwar unter den Auspicien seines ältern Freundes und ehemaligen Lehrers P. Perugino, stellen: das eine die „Taufe Christi“ dar, das andere gegenüber, auf der einen Seite Moses, der vom Engel den Befehl erhält, den eigenen Sohn beschneiden zu lassen, auf der andern Zipporah, welche durch eine ihrer Frauen den Befehl des Engels ausführen läßt; im Hintergrunde sind andere Episoden aus der Reise des Moses dargestellt. Die erste dieser Fresken, d. h. die Taufe Christi, wurde seit Vasari von allen Kunstschriftstellern dem P. Perugino zugeschrieben, die „Reise Mosis“ dagegen seit Jahrhunderten dem Luca Signorelli (Siehe Manni’s Biographie des Luca Signorelli in der Raccolta milanese di vari opuscoli, Vol. I, f. 29 u. f.). Kunstverständigere Schriftsteller neuerer Zeiten, zu denen auch der geistvollste unter ihnen, Jacob Burckhardt aus Basel, gezählt werden muß, haben diese Freske dem Signorelli mit Recht abgesprochen und sie dem P. Perugino vindicirt. Zuletzt gingen die Herren Cr. und Cav. noch einen Schritt weiter, indem sie in beiden Gemälden, sowohl in diesem als in der „Taufe Christi“, außer der Hand des Perugino, auch noch die des Don Bartolommeo della Gatta,

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/323&oldid=- (Version vom 31.7.2018)