Seite:Die Werke italienischer Meister (Morelli).pdf/332

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

herrliche Sammlung des Bossi seinem Lande erhalten und Venedig damit bereichert zu haben[1].

Wir haben hier also zwei bekannte Kenner von Handzeichnungen, die Italiener Bossi und Cicognara, welche die Federzeichnungen in Venedig unbedingt dem göttlichen Raffael zumuthen.

Endlich gesellte sich ihnen ein dritter berühmter Kunstkenner und zudem specieller Raffaellist, der weltbekannte Passavant, zu, der in seinem Werke „Raffael d’Urbin etc.“ (französische Uebersetzung aus dem deutschen Original) diese Zeichnungen eine nach der andern beschreibt und bespricht.

Die vierte Autorität, welche zuletzt umständlich und der Reihe nach die venezianischen s. g. Raffaelzeichnungen einer kritischen und ästhetischen Beurtheilung unterwarf, war der Marchese Pietro Selvatico Estense von Padua, in seinem im Jahre 1854 erschienenen Catalogo delle opere d’arte contenute nella Sala delle sedute dell’ J. R. Accademia di Venezia.

Das Urtheil dieser vier Raffaelautoritäten genügte, wie sich das leicht denken läßt, den Ruf der Handzeichnungen Raffael’s in Venedig für alle Zeiten festzustellen und zu sichern.

Es dürfte daher gar manchem meiner Leser als eine frevelhafte Verwegenheit erscheinen, daß ich unbekannter Sohn einer unwirthlichen Steppe mir herausnehme, gegen


  1. In einem Briefe vom 27. Mai 1827 schreibt Cicognara an seinen Freund, den kürzlich verstorbenen Marchese Gino Capponi von Florenz: „e quando mori il pittore Bossi in Milano, ebbi cura che la squisita collezione dei disegni originali di tutte le antiche scuole venisse posta in sicuro dall’ emigrar dall’ Italia, e tutta la acquistai per questa Accademia di Venezia; ove primeggiano tra molte preziosità 70 disegni originali di Leonardo (nach meiner Ansicht nur 17) e 100 di Raffaello!!“
    Nach meinem Dafürhalten enthält die Sammlung nur zwei Zeichnungen von Raffael, wie wir später sehen werden. (Siehe „Marco Tabarini, Memorie di Gino Capponi, p. 205).
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/332&oldid=- (Version vom 31.7.2018)