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fliegenden Engel, welche das Blut Christi in Kelchen auffangen, wie auch den h. Johannes und die Madonna entlehnte. Das Bild ist sehr schwarz, ja rußig in den Schatten. Die Form der Hand ist nach der Peruginischen Hand modifizirt, die Mittelhand nämlich schmaler und die Finger länger als bei der Hand des träumenden Ritters; das Ohr des h. Hieronymus fett und rund, wie Raffael dasselbe von dieser Zeit an bis an sein Lebensende beibehielt; der landschaftliche Grund durchaus Peruginisch: eine Thalebene, mit einem Flusse in der Mitte, auf beiden Seiten Hügelland. Auch finden wir hier, z. B. auf dem Schenkel des h. Hieronymus, jene länglichen Querfalten, die dem Perugino und dem Pinturicchio eigenthümlich sind. Kurz, in diesem Bilde Raffael’s ist fast nichts mehr, was noch an Timoteo erinnerte. Der edle, zarte und tiefe Geist des jungen Künstlers leuchtet jedoch schon aus diesen Gestalten so hell und glänzend uns entgegen, daß wir dabei des Pietro Perugino kaum gedenken.

3) In diese Epoche ungefähr dürfte auch die naive Federzeichnung „Madonna und das Christkind“ mit einem landschaftlichen Hintergrund, der wieder an die Landschaften Timoteo’s erinnert, zu setzen sein. Ueber dem Haupte der Madonna ist noch der Nimbus angedeutet, den Raffael später auf seinen Handzeichnungen gewöhnlich wegläßt. In der Sammlung von Oxford, und No. 10 im Braun’schen Katalog.

4) Das Bildniß seines Meisters Perugino, in der Galerie Borghese zu Rom, und daselbst dem Holbein zugemuthet[1]. Dies leider etwas verdorbene Gemälde kam mit dem „Traum eines Ritters“ und den „drei Grazien“ (bei Lord Dudley) von Urbino nach Rom.

5) Die „Krönung Mariae“, im Vatican. Ebenfalls noch schwärzliche Schatten. Die Form der Hand und der landschaftliche


  1. Siehe meinen Aufsatz über die Galerie Borghese in der von Lützow’schen „Zeitschrift für bildende Kunst“, Jahrg. XI.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/382&oldid=- (Version vom 31.7.2018)