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Jacopo, der Vater des Antonio und Piero Pollajuolo, war Goldschmied, und sein älterer Sohn Antonio wurde, wie dies in jener Zeit üblich war, in der Profession des Vaters erzogen. Sodann soll Antonio, Vasari zufolge, in der Werkstätte des damals berühmten Bartoluccio Ghiberti (des Stiefvaters des großen Ghiberti) sich weiter ausgebildet haben. Erst in späterer Zeit versuchte Antonio sich auch in der Malerei, wovon die „Herkuleskämpfe“ in den Uffizien (No. 1153) Zeugniß ablegen. Das Gefühl für die Harmonie der Farben sowie für die Anmuth war jedoch nicht gerade die starke Seite des Meisters. Gleich seinem großen Zeitgenossen Mantegna strebte Antonio vor allem den Charakter in Menschen und Dingen zu erfassen und darzustellen. Auch galt er bei seinen Landsleuten als der vorzüglichste Zeichner seiner Zeit[1], und als solcher erweist er sich nicht nur in seinen Handzeichnungen sondern auch in seinen seltenen Kupferstichen.

Sein um etwa acht Jahre jüngerer Bruder Piero wendete sich dagegen der Malerei zu, und zwar, seinen Werken nach zu schließen, nicht sowohl, wie Vasari annimmt, unter der Leitung des rohen Andrea del Castagno, sondern, wie mir wahrscheinlicher erscheint, im Atelier des Alesso Baldovinetti[2].

Dem sei nun, wie ihm wolle, so viel scheint mir gewiß, daß zu den meisten Jugendarbeiten des Piero sein Bruder Antonio die Kartons geliefert haben muß. Es ergiebt sich


  1. Siehe Vasari V, 92, 98, 102.
  2. Die Freskomalereien sowohl wie die Tafel mit dem „englischen Gruß“ in der Kapelle del Cardinale del Portogallo in S. Miniato al Monte bei Florenz wurden von Vasari aus Versehen dem Piero del Pollajuolo zugerechnet, während dieselben doch alle dem Baldovinetti eigenthümlichen Züge an der Stirne tragen. Schon Albertini in seinem „Memoriale“ S. 17, schrieb sie richtig diesem letztern Maler zu. Die Kunsthistoriker jedoch, Rumohr nicht ausgenommen, folgten auch hierin blindlings dem Aretiner.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/408&oldid=- (Version vom 31.7.2018)