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in der Absicht, zuletzt noch den Venezianern und den Lombarden einen kurzen Besuch abzustatten.

Aus den glänzenden Malerschulen der ersteren besitzt die Berliner Sammlung wahre Kleinodien.

A tout seigneur tout honneur. Wir fangen daher an mit der Schule der Stadt Venedig oder der „Dominante“, wie dieselbe vom Volke genannt wurde.

Ein altes Sprichwort charakterisirt die verschiedenen Provinzen der ehemaligen Republik folgendermaßen:

Veneziani, gran Signori,

Padovani, gran Dottori,

Vicentini, magnagatti (Katzenfresser, d. h. vornehmthuend, aber arm).

Veronesi, mezzo matti (sorglos und lustig).

Bresciani, spacca cantoni (Eisenfresser).

Bergamaschi, facoglioni (sich dumm stellend, den Tölpel spielend, um die Andern zu überlisten).

In der That waren die Venezianer große Herren, gran Signori, Aristokraten im guten Sinne des Wortes. Die Genuesen, ihre Nebenbuhler, treten uns in der Geschichte stets als rührige, gescheidte, unternehmende Kaufleute, als tüchtige Seefahrer entgegen; die Venezianer waren nicht nur dies, sondern sie waren, wie die Engländer unserer Tage, zugleich auch „große Herren.“ Die venezianische Kunst legt davon die glänzendsten Zeugnisse ab.

Im Anfange des 15. Jahrhunderts stand die Malerschule der Stadt Venedig tief unter der Schule der dortigen Bildner. Die Maler de Flor, Francesco und sein Sohn Jacobello, Jacobello de Bonomo[1] und andere Bilderverfertiger von noch geringerem Schlage vertraten in Venedig


  1. Von Jacobello de Flor sieht man ein großes authentisches Werk in der Sakristei des Domes von Ceneda; von Jacobello de Bonomo eines, mit dem Jahre 1385 bezeichnet, in der Pfarrkirche von S. Arcangelo, unweit Rimini.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/413&oldid=- (Version vom 31.7.2018)