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aus er es zur See leicht nach Sicilien hätte senden können, ist nicht ausgemacht[1]. Gewiß scheint zu sein, daß Antonello in jenem Jahre bereits in Venedig sich befand.

Die praktische Kenntniß der neuen, in der Lagunenstadt noch unbekannten Art, die a tempera untermalten Bilder mit Oelfarben zu lasiren, muß dem Antonello in Venedig eine größere Bedeutung verliehen haben, als wozu ihn seine wirklichen Verdienste in der Kunst berechtigt hätten. Wir sehen, daß die Kirchenvorsteher von S. Cassiano ihn sogleich mit einem Auftrage beehren. Dieses von Matteo Collaccio und Sabellico hochgepriesene Altarbild, mit dem Jahre 1473 bezeichnet, ist leider schon seit langer Zeit verschollen. Allein nicht nur die Kirchenvorsteher in Venedig, auch die Patrizier beeilten sich nach dem neuen, von Antonello geübten Malsystem sich abconterfeien zu lassen, und, nach den vielen Bildnissen des Antonello aus jenen Jahren zu urtheilen, muß derselbe damals der gefeiertste Porträtmaler Venedigs gewesen sein.

Ein männliches Porträt vom Jahre 1474, Antonellus Messaneus bezeichnet, soll der Herzog von Hamilton besitzen. Vom Jahre 1475 ist das hochberühmte kostbare Porträt im Salon carré des Louvre, ebenfalls Antonellus Messaneus bezeichnet; aus demselben Jahre und mit der Aufschrift: Antonellus Messaneus ist die „Kreuzigung“ in der Antwerpener Galerie, in welchem Bilde ein leiser Einfluß Carpaccio’s auf den Messinesen mir unverkennbar erscheint.

Brachte nun Antonello das s. g. Geheimniß des neuen van Eyck’schen Malsystems mit sich nach Venedig, so mußte er doch ohne Zweifel als Künstler den Brüdern Bellini


  1. Dies Bild befindet sich gegenwärtig im Universitätsgebäude zu Messina, und zwar in einem kläglichen Zustande. Es ist bezeichnet: Año. Dm. m°. ccc°c septuagesimo tertio. Antonellus Messañesis pinxit. Es hat noch ein sehr flandrisches Aussehen und deutet auf einen Meister, der zwar den Pinsel trefflich zu handhaben wußte, der Formen des menschlichen Körpers jedoch noch nicht Herr war. Derselben Ansicht scheinen auch die Herren Cr. und Cav. zu sein (II, 86).
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/442&oldid=- (Version vom 31.7.2018)