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für die größere Lebens- und Expansivkraft der Veronesischen gegenüber der Brescianischen Schule spricht. Die Lautsprache der Brescianer ähnelt zwar sehr jener der angrenzenden Provinz Bergamo, ist jedoch weniger hart und rauh, auch ist der Charakter des Volkes lebhafter, offener, prunksüchtiger und großsprecherischer (Bresciani, spaccacantoni[a 1]). Die Brescianer, zwischen den Veronesen und Bergamasken eingekeilt, vereinigen gewissermaßen die mannhafte Energie der letztern mit der größern Lebendigkeit und Geschmeidigkeit der ersteren.

Soweit es uns gegenwärtig möglich ist, die Malerschule Brescia’s zu übersehen, darf man behaupten, daß sie gleich der Bergamaskischen, erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts anfing aufzublühen und den ihr eigenthümlichen, individuellen Charakter zu entfalten. Es ist allerdings wahr, daß schon zur Zeit des Veronesers Altichiero da Zevio, also in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, ein Maler Namens Ottaviano Prandino aus Brescia gelebt und, wenn wir dem Michele Savonarola (de laudibus Patavii) trauen dürfen, in Gemeinschaft Altichiero’s den „Gigantensaal“ im Palazzo del Capitanio von Padua mit Fresken geschmückt hat. Diesen Ottaviano erwähnt ebenfalls der Chronist Elia Capriolo in seinem im Anfange des 16. Jahrhunderts niedergeschriebenen Chronic, de rebus Brixianorum: „Eo tempore haec civitas Octaviano Prandino et Bartholino cognomento Testorino pictoribus floruit, quorum virtuti et muneri in colorandis imaginibus nemo adhuc par usque inventus fuit, quamquam Gentilis pictor Florentinus (da Fabriano) Pandulpho tunc[1] principi sacellum in praesentiarum


  1. Pandolfo Malatesta von Rimini trat im Jahre 1421 um den Preis von 34,000 Goldgulden die Herrschaft von Brescia an Philip Maria Visconti ab.

Druckfehlerverzeichnis

  1. Vorlage: Psaccacantoni
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/457&oldid=- (Version vom 31.7.2018)