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usque Pandulphi capellam vocitatum et ipse graphice pinxerit.“

Von der Hand dieser zwei von Capriolo in den Himmel erhobenen Maler aus Brescia ist jedoch kein Werk auf uns gekommen, so daß auch kein Urtheil über die Bedeutung derselben uns gestattet ist.

In der Turiner Galerie (im Zimmer des Conservators aufgestellt) wurde mir vor Jahren ein Tafelbild vorgewiesen: thronende Maria mit dem unbekleideten, auf ihren Knieen liegenden Kinde und den HH. Laurentius, Aurelius, Albinus und Amicus; das Bild trug folgende Aufschrift: Paulus Brisiensis pinxit 1458. Mir erschien dieser Paulus als ein unbedeutender, charakterloser, handwerksmäßiger Geselle[1].

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts endlich trat der große, viel zu wenig gewürdigte Vincenzo Foppa in seiner Vaterstadt Brescia[2] auf, und so wurde durch ihn auch in dieser Stadt der Grund zu einer Malerschule gelegt. Foppa nimmt sowohl in der Schule von Brescia als insbesondere auch in der von Mailand[3] dieselbe


  1. Die Herren Cr. und Cav. (I, 589) möchten uns diesen Maler als den Autor der „Verkündigung“ (2. Altar rechts) in der Kirche von S. Alessandro zu Brescia (dort dem B. Angelico da Fiesole zugemuthet) vorstellen. Jenes Bild kam, wenn ich nicht irre, etwa um’s Jahr 1438 in jene Kirche und verräth überdieß die Schule des Gentile da Fabriano, besonders im landschaftlichen Grunde der Predellenbildchen. Ich sehe darin auch nicht eine entfernte Verwandtschaft mit der Manier des Paulus in der Turiner Galerie.
  2. Wenn wir dem Lomazzo Glauben schenken, so siedelte Foppa im Jahre 1460 von Brescia nach Mailand über. Derselbe Kunstschriftsteller berichtet uns auch, daß Foppa ein Buch über die Linienperspektive verfaßt habe (Trattato della pittura I, 39 und 55). Foppa wirkte übrigens schon im Jahre 1457 in Mailand.
  3. Mit Unrecht machen die Herren Cr. und Cav. (II, 2) den Foppa zum Pavesen. Unter andern Zeitgenossen des Foppa nennen ihn Calepino (von Bergamo) und der Anonymus des Morelli einen Brescianer, und sein Bild vom Jahre 1456 in der städtischen Galerie von Bergamo [440] „Christus am Kreuze“ trägt folgende Aufschrift: VINCEN-CIVS (und nicht CIVIS) BRIXIENSIS p. Auch liest man auf seiner großen, mit Beihülfe des Nizzarden Brea für die Kathedrale von Savona im Jahre 1489 vollendeten Altartafel: Vincenzo de Foppa de Brisia. (Siehe: Stefano Fenaroli, Dizionario degli artisti Bresciani, p. 131). Man darf nicht, wie dies so oft geschah, den Vincenzo Foppa oder auch Vincenzo il vecchio, um ihn vom jüngern Foppa zu unterscheiden, mit Vincenzo Verchio, d. h. Civerchio, Schüler des Foppa, il vecchio, und später „civis Brixiae donatus“, d. h. zum Ehrenbürger von Brescia ernannt, verwechseln. Civerchio war aus Crema und ist von viel geringerer Bedeutung als sein Lehrer Foppa. Civerchio wirkte bis zum Jahre 1540, Foppo starb 1492. Werke des V. Foppa finden sich:
    in der Breragalerie: der Martertod des h. Sebastianus (Fresco) und die Tafelbilder, welche zusammenvereint jenes Polyptichon ausmachten, das der Anonymus des Morelli in der Kirche S. Maria delle Grazie in Bergamo sah, unsinnigerweise unter dem Namen des Zenale aufgestellt und als solche auch von den Herren Cr. und Cav. citirt (II, 40, 3); ferner im Museo archeologico zu Mailand die Freske: Maria mit dem Kinde zwischen zwei Propheten;
    in der Sammlung Poldi-Pezzoli in Mailand: Maria, das mit einem gelben Hemdchen bekleidete Kind in den Armen haltend, – Hintergrund Landschaft;
    in der Sammlung Borromeo in Mailand: der „Gang nach Golgatha“. Tafelbild; Hauptwerk des Meisters;
    bei Herren Dr. Gustavo Frizzoni zu Mailand: Maria mit dem Kinde und zwei Engeln;
    in der städtischen Galerie von Bergamo: das obengenannte Bild „der Gekreuzigte“ und ein „sich kasteiender h. Hieronymus“, ebenfalls mit dem Namen bezeichnet. – Täusche ich mich nicht, so befinden sich in der Sammlung des British Museums zu London einige Federzeichnungen von V. Foppa, wie sich von selbst versteht, unter dem Namen des Mantegna: drei Kriegsmänner (von Braun photographirt No. 54) und „die Kreuzigung Christi“ (Braun No. 55), fein ausgeführte getuschte Federzeichnung.
    Von Vincenzo Civerchio findet man mit dem Namen bezeichnete Bilder: in der städtischen Galerie von Brescia; Triptychon vom Jahre 1495 und mit der echten Aufschrift: Vincentius Cremensis bezeichnet; in der Kirche S. Alessandro zu Brescia eins vom Jahre 1504; [441] in der Kirche (Sakristei) von Palazzuolo (all’ Oglio) eins vom Jahre 1525; ein anderes im Dome von Crema. Aus seiner Spätzeit (1537 und 1539) eins in der Galerie von Lovere, ein anderes in der Kirche S. Giovanni sopra Lecco.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/458&oldid=- (Version vom 3.4.2019)