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den HH. Hieronymus und Bartholomaeus in der Galerie des Vaticans[1]. Wünschen daher meine jungen Freunde den edeln, feinen und eleganten Maler näher kennen zu lernen, so lade ich sie ein, einige Tage in Brescia zu verweilen, woselbst ihnen fast in jeder Kirche Moretto mit einem, oft sogar mit etlichen seiner Werke entgegentritt. Das früheste, wenn auch nicht mit dem Namen, so doch mit dem Jahr 1518 bezeichnete Bild des Moretto dürfte wohl der „Kreuztragende Christus mit dem knieenden Stifter“ in der städtischen Galerie von Bergamo (No. 132) sein[2]; an Ort und Stelle schreibt man es zwar noch immer Tizian zu, allein schon die Herren Cr. und Cav. fanden in diesem Bilde sehr richtig den Charakter der Brescianischen Malerschule. Sowohl in diesem Bildchen, wie auch im „Christus am Grabe zwischen den HH. Hieronymus und Dorothea“ in S. M. in Calchera zu Brescia und in mehreren andern Bildchen aus seiner Frühzeit (bei Sir H. Layard in Venedig, Herrn Cereda-Bonomi in Mailand) vermißt man noch jenen herrlichen und für den Meister so charakteristischen Silberton der Farben, durch den seine


  1. Dies durch eine abscheuliche Uebermalung ganz entstellte Bild gehört seiner Spätzeit an. Vor etwa zwanzig Jahren war es im Besitze des Grafen Costa von Piacenza, welcher es, beschädigt wie es war, vom Maler Brisson in Mailand restauriren, d. h. übermalen ließ und sodann einem römischen Bilderhändler verkaufte. Die Herren Cr. und Cav. nennen dies Gemälde „a fair and well preserved specimen of the master“ (II, 416).
  2. Die große „Lunetta“ in der Fabbricieria von S. Giovanni Evangelista in Brescia (Krönung der Maria mit Heiligen) trägt die Aufschrift: Alexander Brix. faciebat. Dies Bild, welches mehrfach an Hieronymus Romanino erinnert, darf, wie ich glaube, in keinem Falle dem Alessandro Moretto zugeschrieben werden, sind doch die Formen darin so ganz verschieden von denen des Bonvicino. Die Herren Cr. und Cav. (II, 397) folgen auch hierin blindlings dem Herrn Fenaroli und nehmen keinen Anstand, auch diese schwache Arbeit dem Moretto anzuerkennen. Vielleicht könnte diese Lunetta als das Werk des Alessandro Romanino, eines jüngeren Bruders des Hieronymus, sich herausstellen.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/463&oldid=- (Version vom 31.7.2018)