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ganz. Die Gesellschaft ist nicht aus Ceremoniel, nicht aus Etiquettenzwang gewählt, das Herz liest sie aus. – Nicht hoher Rang und Ansehen, sondern Geschicklichkeit, Biedersinn, Edelmuth und Thätigteit sind die Mittel, ihr Freund zu werden. – – In Gesellschaften ist sie gesprächig, liebreich, gutmeinend, bescheiden, nie beleidigend – sie spricht von allem, so viel es Anstand und Schicklichkeit erlaubt, aber sie spricht nie entscheidend, führt nie das Wort; – sie besitzt vortreffliche Kenntnisse, aber sie prahlt nie damit; sie sucht sie sogar zu verheimlichen, um ja nie den Verdacht auf sich zu laden, als wolle sie für eine gelehrte Dame gelten; sie schweigt oft, um ihre Kenntnisse nicht zur Schau zu stellen: sie hat die Miene der Schülerin, wenn sie selbst unterrichten könnte. – Ihr Mund öffnet sich nie, um jemand zu verachten, Böses von ihm zu sprechen, wenn es auch wahr wäre, oder gar zu verläumden – sie schweigt, entschuldiget oft die Fehler oder bemitleidet sie wenigstens, wenn sie nicht entschuldigen kann, – Sie stört kein Vergnügen, nimmt Theil an jedem, das gut ist und sich für sie schickt. – Sie handelt als Weise, aber immer ohne Prahlerey, ohne Affectation in sich selbst zurückgezogen, nicht um bemerkt zu werden; sie handelt gut, weil es ihr angewöhnte Fertigkeit ist, beständig so zu handeln.

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 Mit einem Worte, um alle diese herrliche Züge auf einen Punct zusammen zu fassen: Gräfin

Empfohlene Zitierweise:
Anonym: Die musterhafte Dame, kein Ideal in: Journal von und für Franken, Band 5. Raw, Nürnberg 1792, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_musterhafte_Dame,_kein_Ideal.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)