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Verschiedene: Die zehnte Muse

Hochzeitlich Lied.

Lass Akaziendüfte schaukeln,
Rosen durch die Fenster gaukeln,
Blütenfee – das bist nun du!
Deine buchenroten Locken

5
Läuten mir wie Märchenglocken,

Und die weiten Thäler locken …
Komm, mein Kind, wir zieh’n zur Ruh.

In das Land der blassen Farben
Zieh’n wir ein … und Purpurgarben

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Fächeln stille Flammen zu;

Horch, schon zittern weiche Lieder,
Mond enthüllt sein Schneegfieder –
Fieberheiss die reifen Glieder,
Zieh’n wir, Hand in Hand, zur Ruh.

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Leise Scham, so schüchtern gleitend,

Lichte Rosenflügel spreitend,
Deckt die Aeuglein, deckt dich zu;
Klingt’s im Park von Zymbeln, Zinken,
Will durchs Fenster Venus winken, –

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Müssen Band und Seide sinken …

Komm, mein Kind, wir zieh’n zur Ruh.

Anton Lindner





Komm, falsche Dirne!

Komm, falsche Dirne, lass dich küssen!
So falsch du bist, – du bist doch süss;
Dein Mund hat all an sich gerissen
Den Honig aus dem Paradies.

5
Ich herze dich, und sollte hassen;

Ich hasse dich, doch ach, wie mild!
Ich sollte dich auf ewig lassen,
Und fasse dich, so wild, so wild!

Und ist in alle diese Wonnen

10
Mein Leben und mein Geist getaucht –

Was mir dein Herz für Qual ersonnen,
Ist alles in den Wind gehaucht!

Fried. Daumer.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/102&oldid=- (Version vom 31.7.2018)