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Verschiedene: Die zehnte Muse


Ob gross, ob klein, ob arm, ob reich,
Ob Wohl-, ob Hochgeboren,

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Dem Schicksal ist dies alles gleich, –

Der Mensch ist auserkoren,
Dass, wird er auf die Welt geschickt,
Der Schuh ihn immer etwas drückt.

Verschreibe sie dir aus Paris,

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Aus London und Manchester,

Der Schuster dennoch Fältchen liess, –
Und wär’s nur eins, mein Bester,
So klein, dass man es kaum erblickt,
Die Zeit kommt doch, wo dich es drückt.

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Die Abart selbst vom Schuhe blieb

Hiervon nicht ausgenommen;
Hab’ Weibchen oder Mädchen lieb,
Die Zeit wird dennoch kommen,
Wo, ist’s dem Schuhe nicht geglückt,

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Dich etwas der Pantoffel drückt.


Erst dann, wenn man die letzten Schuh’
Uns von den Füssen ziehet,
Hat man vor ihrem Drücken Ruh,
Doch sind wir dann verblühet:

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Drum, lieben Freunde, seid beglückt,

Dass alle euch der Schuh noch drückt!

Heinr. Grünig.
(1781–1846.)





Ein Künstlerlied.

Gebt mir ein Mädel und gebt mir ein Geld,
Dann flieh ich hinaus in die tosende Welt.
Und wenn die Wälder in Sonne stehn,
Wollen wir leise vorübergehn,

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Ganz leise und sacht,

Bis die Mitternacht
Ihre weichen duftenden Hände faltet
Und in den Städten das Leben erkaltet.

Dann singt mir mein Mädel den schönsten Sang,

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Der je durch die zitternde Mitternacht klang,

Und drückt mir die lechzenden Lippen zu
Und drückt mir die flammenden Augen zu,

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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/127&oldid=- (Version vom 31.7.2018)