Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Der Hausherr trug heut’ seine schönste Perücke,
Frau Pfarrer ihr Seidengewand,
Was nur in der Truhe sich fand.
Da endlich erschien an dem Gitter vor’m Hause
Die Gräfin mitsamt der Komtess –
Der Pfarrer empfing sie im nobelsten Flause,
Vergnügten Gesichts knixten tief auf der Treppe
Frau Pfarrer und Tochter bereits,
Sich bückend, als wollten sie küssen die Schleppe
Des aristokratischen Kleids.
Der Pfarrer beschrieb voller Glut
Die Ehre, die man durch dies Fest aller Feste
Dem Haus zu erweisen geruht.
Drauf wurde die Herrschaft zur Tafel geleitet,
Herablassend hat sich die Gräfin verbreitet,
Zuviel sei es hier des Bemüh’ns.
Der Pfarrerin Kochkunst, wie lobte sie diese,
Das Essen in jeglichem Punkt,
Mit des Hauses gelehrtem Adjunkt.
Die Finger Komtesschens, wie Schnee zum Erblinden,
Sie lösten vom Küchlein ein Stück
Des Flügels zur Spende dem Hündchen, Belinden –
Die Gäste sah’n stehen den Hauspotentaten
(Mit Blicken sich sendend Rapport),
Wie, Schweiss auf der Stirn, er, das Messer im Braten,
Sich bückte bei jeglichem Wort.
Die Schüsseln herum, die gehäuft,
Die rötlichen Erdbeer’n, die leckeren Brötchen –
Der Segen des Herrn, wie er träuft!
Spritzkuchen und Pontac sind auch nicht zu tadeln:
Die Herrschaft sass aber zuletzt wie auf Nadeln,
Doch da war der Mahlzeit Beschluss.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/215&oldid=- (Version vom 31.7.2018)