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Verschiedene: Die zehnte Muse

Die Dirne starb in fremdem Bett,
Der Bursch am Zaun auf der Strasse. –
Nun liegen hier beisammen sie
In kahler Kammer, die sich nie

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Gegrüsst mehr auf der Gasse.


Nun liegen sie, die Augen starr
Geöffnet nach der Decke;
Und langsam schaufelt und murrt dabei
Der Graubart dorten Gräber zwei

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Hart an des Kirchhofs Ecke.


Theodor Vulpinus.




Die alte Jungfer.

Niemand zu Liebe, niemand zu Last,
Ist sie erloschen und verblasst.

In ihrem Stübchen sann sie und sann,
Bis ihr einsames Leben darüber verann.

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Keiner hat nach ihr die Hand ausgestreckt

Und die flügelgebundene Seele erweckt.

Keiner hat in der Sommernacht
Zu seligem Weinen sie gebracht.

Und doch flogen Locken auch ihr ums Gesicht,

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Und ihre Augen glänzten jung und licht.


Und doch schlug auch ihr in verschwiegener Brust
Die Sehnsucht nach Sonne und Frühlingslust.

Niemand zu Liebe, niemand zu Last,
So ist sie erloschen und verblasst.


Maria Janitschek.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/326&oldid=- (Version vom 31.7.2018)