Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Kusshunger.
Ein messenger boy kommt ventre à terre
Vor meine Veranda gefegt,
Springt ab und hat ein kleines Billet
In meine Hand gelegt.
Und ich beschaue den Brief.
Von Abbie! – Nanu? die schreibt doch nur, wenn
Ein wirklich zwingend Motiv.
»Kommst du nikt gleik, Ick schiessen mir dot.«
»Ein Cab! ein Cab« sonst mordet sie sich –
Das Mädel ist exaltiert.
Mein Cab rast durch die city hin
Zur vierzigsten Strasse hinaus.
Ich springe flugs in das Haus.
Ich eile hastig von Raum zu Raum –
Im sitting-room liegt sie vergnügt
Auf einen Schaukelstuhl hingehaucht,
Die Linke hält ihre goldene Uhr,
Die Rechte – ich bin erblasst –
Die Rechte hat – mit gespanntem Hahn –
Einen kleinen Revolver umfasst.
Sie blickt auf die Uhrund lacht:
»Eight minutes – famos! nur sswei dassu,
Dann hätt’ ick mir umgebracht«
»Warum denn aber um Himmels Will’n?«
I love you, my boy, with all my heart!
Ick hatte so Hunger auf Kuss!« –
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/330&oldid=- (Version vom 31.7.2018)