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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/330

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Verschiedene: Die zehnte Muse

Kusshunger.

Ein messenger boy kommt ventre à terre
Vor meine Veranda gefegt,
Springt ab und hat ein kleines Billet
In meine Hand gelegt.

5
»Bye, bye!« der Bengel jagt wieder fort,

Und ich beschaue den Brief.
Von Abbie! – Nanu? die schreibt doch nur, wenn
Ein wirklich zwingend Motiv.

»Kommst du nikt gleik, Ick schiessen mir dot.«

10
So lese ich konsterniert –

»Ein Cab! ein Cab« sonst mordet sie sich –
Das Mädel ist exaltiert.

Mein Cab rast durch die city hin
Zur vierzigsten Strasse hinaus.

15
»Stop!« brüll’ ich. »Two dollars, Sir« »Yes, all right!«

Ich springe flugs in das Haus.

Ich eile hastig von Raum zu Raum –
Im sitting-room liegt sie vergnügt
Auf einen Schaukelstuhl hingehaucht,

20
Der neckisch wackelt und wiegt.


Die Linke hält ihre goldene Uhr,
Die Rechte – ich bin erblasst –
Die Rechte hat – mit gespanntem Hahn –
Einen kleinen Revolver umfasst.

25
»My sweet heart, what is the matter with you?«

Sie blickt auf die Uhrund lacht:
»Eight minutes – famos! nur sswei dassu,
Dann hätt’ ick mir umgebracht«

»Warum denn aber um Himmels Will’n?«

30
»O nix – ick sehen Dir muss!

I love you, my boy, with all my heart!
Ick hatte so Hunger auf Kuss!« –


Johannes Cotta.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/330&oldid=- (Version vom 31.7.2018)