Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Das ist die Wanderzeit in Bergeshöh’,
Und tagelang zog ich dahin im Walde
Durchs Felsgestein und durch die duft’ge Halde
Am Berghang aber, unterm Felsenkahr,
Da lagen traut die braunen, kleinen Hütten,
Und wenn ich abends müd’ vom Wandern war,
Bin ich so gern durch ihre Thür’ geschritten.
Ich aber setzte mich daneben hin;
Auf ihre Wangen fiel der Feuerschein,
Das knisterte so leis; hell klang darein
Und Silberlachen, wenn ich dann sie neckte
Bald schien von allen Bergen in der Rund’
Mir der der schönste, wo ihr Hüttlein stund.
So schien zur Forschung keiner sich zu eignen;
Ich mass den Weg und prüfte das Gestein,
Ich war verliebt – das war nicht mehr zu leugnen.
Und was Poeten, die verliebt sind, thun,
Das weiss man. Ach, es liess mich nimmer ruh’n!
Fast jeden Tag bracht’ ich ihr ein Gedicht
Wo ich »Elisabeth« mein Lisel nannte
Und Tropen brauchte, die sie nie erkannte.
Im Anfang sass sie ganz verdutzt zur Stelle,
Dann warf sie ihren Goldzopf ins Genick
So überzeugend mir und silberhelle.
Stumm ging ich weg – dann kam’s mir, wie ein Licht –
(Man sagt ja, dass die Liebe findig macht)
Drum dacht’ ich: Fort mit dieser Tropenpracht!
Da stellt’ ich in den Stall den Pegasus,
Noch angeschirrt à la Virgilius,
Und fing mir flugs in meinem Herzeleide
Ein schmuckes Bauernrösslein von der Weide.
Und ’s erste Lied – im Dialekt geschrieben. –
Als ich zur Alm kam und vom steilen Grat
Ins Felskahr stieg, den alten kühnen Pfad,
Da stand die Sennerin im Wiesengrunde
Und wieder trat ich in die Hütte ein;
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/335&oldid=- (Version vom 31.7.2018)