Der Verfasser ist am 16. September 1902, als er eben diesen Aufsatz vollendet hatte, plötzlich vom Tode ereilt worden. Er war am 19. Mai 1844 in Dresden geboren, widmete sich dem Schreiberberufe und ward Gerichtsamtskopist, 1871 Kanzlist beim Königl. Finanzarchive, später Sekretär beim Hauptstaatsarchive. Unermüdlich war er bestrebt, sich in seinem Amte weiterzubilden, er erwarb sich Kenntnisse in der lateinischen und französischen Sprache und eignete sich durch dienstliche Arbeiten und im Verkehr mit den Benutzern des Staatsarchivs, denen er ein liebenswürdiger und jederzeit dienstbereiter Helfer war, die Methoden der geschichtlichen Forschung an. Schließlich gehörte er zu den besten Kennern der Aktenbestände des Archivs und konnte daran denken, sein vielseitiges Wissen in eignen geschichtlichen Arbeiten zu verwerthen. In den letzten sieben Jahren veröffentlichte er eine Reihe von Aufsätzen, die auf breiter urkundlicher Grundlage aufgebaut sind und sich durch Zuverlässigkeit ihrer Angaben auszeichnen. Zur geschichtlichen Topographie der Dresdner Vorstädte, die er noch weiter zu erforschen gedachte, gehören außer dem vorliegenden folgende drei Aufsätze in den Dresdner Geschichtsblättern: „Die Entstehung der Antonstadt“ (1896), „Die Demolition der Dresdner Festungswerke“ (1898) und „Zur Geschichte des landesherrlichen Grundbesitzes an der Ostraallee“ (1899). Aus seiner genauen Kenntniß des Finanzarchivs sind folgende umfangreiche Arbeiten über sächsisches Aemterwesen hervorgegangen: „Die oberste sächsische Finanzbehörde“ (im „Finanzarchiv“, 14. Jahrg. 1897), „Die Aemter-, Kammerguts- und Rentkammerrechnungen des Hauptstaatsarchivs“ (im Neuen Archiv für Sächs. Geschichte, 20. Band, 1899), „Das sächsische Obersteuerkollegium“ (ebenda 21. Band, 1900) und „Das kurfürstliche Amt Dresden vom 14. bis zum 19. Jahrhundert“ (Mittheilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, 16. Heft, 1902). Unser Verein hat in Haug einen eifrigen und treubewährten Mitarbeiter verloren.
Die Wilsdruffer Vorstadt dürfte gleichzeitig mit der jetzigen Altstadt entstanden sein, denn wahrscheinlich haben sich die Gerber hier gleich anfangs an der jetzigen Kanalgasse und Gerbergasse angesiedelt. Vermuthlich sind gleichzeitig auch Mühlen dort angelegt worden.
Der hinter der Kanalgasse gelegene Raum, welcher jetzt von der Palmstraße, Mittelgasse, Grünegasse, Schützengasse und dem Schützenplatz eingenommen wird, bildete anfangs die städtische Viehweide und ist später bebaut worden als das dicht am Mühlgraben gelegene Land. Auch das Dorf Poppitz ist wahrscheinlich erst bei der Anlegung Dresdens entstanden[1], und so dürfte nur Fischersdorf, der jetzige Fischhofplatz, aus älterer Zeit herrühren. Ob dieses letztere ursprünglich an seiner heutigen oder an einer anderen Stelle gelegen hat, wird dadurch zweifelhaft, daß in einer Urkunde vom Jahre 1480 ein „Altenfischersdorf“ erwähnt wird. Laut dieser Urkunde erwarben nämlich Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von den Fischern und Gärtnern zu Fischersdorf einen Werder „zu Altenfischersdorf bei der Viehweide an der Elbe zu Dresden gelegen“, wofür ihnen ein Garten zu Fischersdorf überlassen und angeordnet wurde, daß ihnen jährlich 8 Stämme Bauholz aus der Dresdner Heide gereicht werden sollten[2]. Die Landesherren legten auf diesem Werder einen Baumgarten an, doch ist die Lage desselben mit Genauigkeit nicht zu ermitteln. Anscheinend hat er in der Gegend des Packhofes gelegen, vielleicht auch noch etwas weiter nach dem jetzigen Theaterplatze herein. Es ist möglich, daß Fischersdorf der Elbe näher gelegen hat und damals von dieser Stelle verlegt worden ist; sicher läßt es sich nicht feststellen, denn der Name Altenfischersdorf kommt nur in dieser einen Urkunde vor.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/108&oldid=- (Version vom 11.10.2024)