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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/128

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wie damals und heute viele Dresdner, um der trefflichen Musikaufführungen willen. Wenn aber die drei Töchter des 1823 verstorbenen Geh. Kabinetsraths Hase, obgleich gut protestantisch, ausdrücklich den Wunsch äußerten, „daß bei ihrem Leichenbegängniß die ihnen gleich befreundeten Geistlichen, der lutherische, der reformirte und der katholische, zugegen sein möchten“, so erkennen wir, auch wenn wir nichts davon wissen, ob man diesem Wunsche seinerzeit Rechnung getragen hat, doch, wie wenig damals die konfessionellen Schranken bedeuteten. Bezeichnend für die Anschauung weiter Kreise ist eine 1830 erschienene Schrift „Dresden, wie es ist“, in der es heißt: „Protestanten und Katholiken leben bei uns in seltenem, beinahe brüderlichem Verein. Die allgemeine Achtung, die die beiden Oberhäupter der katholischen und protestantischen Kirche genießen, trägt nicht wenig dazu bei, diese Einigkeit zu erhalten, die Versöhnlichkeit siegt über jeden Anstoß“.

Immerhin, alle Evangelischen sind es keineswegs gewesen, die die „Versöhnlichkeit“ von Ammons gegenüber Rom also lobten. Bedurfte es doch auch in jener Zeit nur eines Anstoßes und Dresdens Volk bewies, wie treu es im Grund seines Herzens zu seinem lutherischen Glauben stand. Welche Erregung herrschte alsbald in der ganzen Stadt, als am 2. Weihnachtstage 1760 einige in Dresden einquartirte katholische Soldaten auf der Brüdergasse die singenden Kurrendaner mit Steinen beworfen und einen kleinen Kreuzschüler verletzt hatten. Schaarenweis wurden von da ab die drei Singechöre von der Bürgerschaft zu ihrem Schutze begleitet und erst allmählich beruhigte man sich wieder. Und wiederum, kaum war durch den von Napoleon diktirten Posener Frieden die Gleichberechtigung beider Konfessionen eine Thatsache geworden, kaum war Dresden seit 1816 der Sitz eines Bischofs, der die Machtansprüche Roms wieder nachdrücklicher zu vertreten begann, so wich auch die vorherige Gleichgültigkeit der Dresdner gegen konfessionelle Unterschiede. In ausgesprochenem Gegensatz gegen Rom ward in großer Pracht und festlicher Illumination der ganzen Stadt und ihrer Thürme 1817 das große Reformationsjubiläum gefeiert, und wie auch sonst nicht sonderlich kirchliche Kreise von Abneigung gegen den Katholizismus ergriffen waren, zeigt Elise von der Recke, die Förster als eine feurige Protestantin fast mit Uebertreibung bezeichnet, während er Tiedge sogar nachsagt, daß die Annahme antiprotestantischer Umtriebe bei ihm fast zur fixen Idee geworden sei und er oft Katholizismus spüre, wo gar keiner vorhanden wäre. Wenn aber die Bevölkerung dem Bau der Friedrichstädter katholischen Stiftskirche 1823 und demjenigen der 1826 vollendeten Neustädter Pfarrkirche zwar ungern, aber doch stille, zuschaute, die hellen Flammen der Empörung schlugen empor, als der Ablaß Leos XII. mit seinem Gebet um Ausbreitung des katholischen Glaubens und um Vernichtung der Ketzerei öffentlich an die Thüren der katholischen Kirche angeschlagen ward. „Es kam nicht nur zu einer Beschwerde beim Stadtrath, sondern auch beim König, und der Hirtenbrief des Bischofs Mauermann vermehrte in seinem die Protestanten verletzenden Tone die Erbitterung noch. Ein lebhafter Broschürenkrieg entstand, und als der Neustädter Pfarrer Schmalz in seiner Reformationspredigt 1825 warnte, Dresden solle sich nicht wieder unter das knechtische Joch beugen, da war dies so völlig der rechte Ton, daß diese Predigt gedruckt reißenden Absatz fand“. Erst als 1827 die Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit der Glieder der römischen Kirche gesetzlich geregelt worden war, legte sich die Erregung etwas, um in einem lebhaften Broschürenkriege wieder emporzulodern, als es nach der Julirevolution galt, das sächsische Volk für die Zukunft vor Roms Uebergriffen zu schützen. Auch das Jubelfest der Augsburger Konfession ward so in seinen Veranstaltungen zu einem flammenden Protest gegen Rom, und wenn auch Manchen, wie der Mutter Kügelgens, die Freude an der ganzen Feier so ziemlich dadurch verdorben ward, daß, wie sie schreibt, seit dem dreitägigen Feste „die Gährung zwischen den zwei hier herrschenden Konfessionen nur heftiger geworden sei“, ... ja daß es „sogar an Gewaltthaten von beiden Seiten nicht gefehlt“ habe, die Bevölkerung im Allgemeinen hatte jedenfalls nicht nur einmal von den Kanzeln die Augsburgische Konfession vorlesen hören, sondern auch für sein protestantisches Gefühl neue Anregung empfangen und ward erst wirklich beruhigt, als 1831 der Abschluß des Verfassungswerks ihm auch für die Zukunft die geforderte Sicherheit Rom gegenüber gab. Es war eine Nachwirkung jener Feier, daß alsbald der Rektor der Annenschule eine mit zahlreichen Unterschriften bedeckte Bittschrift an den Rath richtete, in der die Erhebung des Reformationsfestes zum vollen kirchlichen Feiertag erbeten ward, und daß man so am 31. Oktober 1833 in Dresden zum ersten Mal das Gedächtniß der Reformation durch einen ganzen Feiertag feierte. Wenn aber damals der wegen seiner „Versöhnlichkeit“ gegen Rom schon erwähnte Oberhofprediger von Ammon auf die Frage, ob denn das Reformationsfest nun auch als ganzer Feiertag eingeläutet werden solle, wirklich zur Antwort gegeben hat: „Läuten Sie, aber läuten Sie nicht zu sehr“, so gehört das in dasselbe Kapitel protestantischer Charakterschwäche, wie die Thatsache, die 1830 beim kirchlichen Jubelfeste den heftigsten Unwillen der ganzen Bürgerschaft erregt hatte, daß, als ganz Dresden und seine Umgebung bis hinaus zu den Loschwitzer Höhen in festlichem Lichte der Illumination prangte, das Rathhaus finster geblieben war.

Aber nicht nur in Opposition gegen Rom fand sich der alte evangelische Geist der sächsischen Residenz wieder, sondern auch in gläubiger Frömmigkeit. Es lebte eben

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/128&oldid=- (Version vom 23.10.2024)