Carl, in neuen Zeichnungen zu stiften, zu denen ich mir nur die nach den Original-Kartons zu zeichnenden Umrisse bedinge. Noch war mein Brief nicht beendiget, als ich ein Briefchen von der Fürstin Wittgenstein aus dem Hotel de Saxe erhielt, wo sie gestern eingetroffen ist. Sie schreibt bestürzt über meinen Absagebrief. Ich suche sie in dem Hotel auf und alles ordnet sich zum Besten. Sie giebt mir Zeit, soviel ich will, und ich ergreife sehr gern dieses Zugeständniß, um eine Arbeit zu machen, zu der ich sehr viel Lust habe ...
22) Montag ... Museum. Es spricht mich eine Tochter Fr. Rückerts an, welche mir Grüße von diesem alten und hochverehrten Freund bringt. Die Tochter sieht dem Vater auffallend ähnlich und ist ein interessantes und geistreiches Mädchen. Wir besehen einen Theil der Galerie mit einander ...
23) Dienstag ... Fräulein Rückert besucht uns. Sie gefällt den Meinigen sehr gut, wie sie in der That eine ungewöhnliche und interessante Erscheinung ist ...
24) Mittwoch. Ich halte mich fleißig zu der gestern erwähnten Zeichnung [„Matathias fliehet mit den Seinigen“] und arbeite ganz ungestört bis zu meiner Ausgangszeit. Nachmittag nehme ich diese Arbeit wieder auf und bringe sie zu Stande. Das Bild ist eben auch wieder ein ganz anderes als die bereits erschienenen. Immer zeigt sich mir von neuem der unerschöpfliche Reichthum und die wunderbare Mannigfaltigkeit des Stoffes, welchen die Bibel zu bildlichen Zwecken darbietet. – Museum ... Mein Entschluß befestiget sich immer mehr, den Ueberreichthum von Vergoldung an der Umrahmung der Sixtinischen Madonna auf ein bescheidneres Maß zurückzuführen ...
28) Sonntag ... Gang nach der Ausstellung ... Was das Wegenersche Bild [„Waldbrand in Nordamerika“][1] betrifft, so überzeuge ich mich doch von neuem, daß es gegenüber jener so hoch erhobenen Darstellung des Einfangs ungarischer Pferde von Simonson von einem ausgezeichneten Talent und einem höchst achtungswerthen Streben zeugt ...
29) Montag. Der Geh. Rath Pinder aus Berlin macht mir einen Morgenbesuch. Man hat dort große Dinge vor, und von Bethmann-Hollweg soll auch der Meinung sein, daß man mit Bewilligung großer Summen zum Ankauf von neuen Bildern der Kunst nicht viel nütze, sondern Gelegenheit geben müsse zur Entstehung monumentaler Werke, bei denen sämmtliche bildende Künste Betheiligung finden können. Es soll auch daran gedacht werden, das Campo Santo unabhängig vom Dombau zu vollenden und die Ausführung der Corneliusschen Kompositionen zu beginnen. Des Cornelius sämmtliche Kartons, an 70 Stück, werden in Berlin ausgestellt werden. Vielleicht zieht mich diese Ausstellung im Oktober nach Berlin ... Der Architekt Stache aus Wien ... bringt mir ein neues Diplom des Albr. Dürer-Vereins statt des alten, in dem ich Ludwig statt Julius genannt werde. Rolle theilt mir seine Absicht mit, der Galerie ein weibliches Porträt von Graff zu schenken. Ich ersuche ihn, mit dem Herrn Minister deshalb zu reden. In der ersten Etage [des Museums] angekommen bringt mir Gruner Herrn Eastlake aus London, Präsident der Akademie, meinen alten Bekannten von Rom her. Derselbe wird sich unsere zum Verkauf bestimmten Vorrathsbilder besehen ... Gegen Abend gehe ich zu Frau von Quandt. Wir sehen die Mappen mit meinen Skizzen zum Ariost und die improvisierten Federzeichnungen, die in Rom im Winter von 1819 auf 20 am Theetisch entstanden sind. Diese Zeichnungen[2] giebt Frau von Quandt mir mit nach Hause, damit ich sie meiner Frau zeige. Die Besichtigung derselben an meinem Theetisch macht Vergnügen.
30) Dienstag ... Rietschel besucht mich am Morgen und theilt mir mit, daß Geh. Rath Pinder aus Auftrag des Herrn von Bethmann-Hollweg ihm die Direktorstelle an der Berliner Akademie angetragen habe und er meine Ansicht hierüber zu wissen wünsche. Rietschel ist sichtlich sehr erfreut über diese Berufung, und seine Bedenklichkeiten äußern sich mehr als die Erfüllung einer Form, denn als wahrhaft vorhanden. Man sieht, er ist entschlossen, will aber noch einige Pflichtschritte thun, ehe er einen Entschluß kund giebt. Ich sage dieses nicht, um eine Schwäche aufzudecken. Der Antrag ist überaus erfreulich für ihn, die Bedenken sind nicht wesentlich, er muß sie ins Auge fassen, darf sie aber Dem überweisen, der nach vielen Leiden ihm diese schöne Berufung sendet. In diesem Sinne spreche ich meine Ansicht dem Freunde gegenüber aus. – Im Museum ... treffe ich den Präsident Eastlake nebst Gemahlin ... Ich habe nun Gelegenheit Eastlakes Meinung über einige unserer Gemälde zu erfahren, die zu hören mir wichtig ist. Ueber Nr. 8 [= 43], „Verkündigung“, äußert er sich entschieden, daß es ein Gemälde Marco Zoppos, Schülers des Squarcione und Mitschülers des Mantegna sei. Eastlake bemerkt, daß in Berlin ein bezeichnetes Bild von Zoppo sei, das vollkommen mit dem unsern stimme[3]. Ueber den Lorenzo di Credi aus der Steinlaschen Sammlung[4] bemerkt er, daß die Bezeichnung falsch sei. Ueber Nr. 138 [= 158],
„die heilige Margaretha“, bemerkt er in Uebereinstimmung,
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/146&oldid=- (Version vom 9.9.2024)