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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/147

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aber mit noch größerer Entschiedenheit als Passavant[1], daß das Bild dem Correggio zuzuschreiben sei. Er findet das Bild ganz herrlich. Nur am Haar vermißt er das Impasto, welches an dem Haar des Correggio gewöhnlich gefunden werde. Es wird doch noch geschehen, daß das Bild als Correggio anerkannt wird. Ueber die Vertretung des Rembrandt und seiner Schule ist Eastlake sehr befriedigt ...

September.

1) Donnerstag ... Die neueste Nr. des Belgischen Journal des Beaux Arts berichtet über die gute Aufnahme, welche die deutschen Kartons in Antwerpen gefunden haben. Museum. Gegen 1/..[WS 2] 1 Uhr kommt der Herr Minister von Zeschau und läßt sich von mir erklären, worin die beabsichtigten Aenderungen an der Umrahmung der Rafaelschen Madonna bestehen würden. Ich zeige ihm, welche Partien der allzu reichen Vergoldung ich mit Farbe decken würde, wobei ich den Beirath des Architekten, des Hofbaumeisters Krüger, als unerläßlich und zum Theil für maßgebend erkläre ... Es giebt sich Veranlassung, dem Minister einen Wink über Rietschels Berufung nach Berlin zu geben ...

4) Sonntag ... Gegen 6 Uhr besuchen uns Rietschel, Frau und Töchterchen ... Bei der Gelegenheit erfahre ich auch, daß die Vorschläge des akademischen Raths in Ansehung der Ausführung monumentaler Werke großartigere Erfolge haben werden, als wir hoffen konnten. Der König hat sich für den Schmuck der Terrassentreppe erklärt und sich auch besonders günstig für die Umgestaltung des Ausstellungsgebäudes zu einer Volkshalle ausgesprochen. In erste Linie ist aber die Ausführung des Kruzifixes auf der Brücke gestellt. – Durch einen Expressen erhalte ich von dem Oberkammerherrn von Könneritz vom Weinberg der Königin die Nachricht, daß König Ludwig [von Bayern] morgen 3/4 11 Uhr die Gemäldegalerie besichtigen wird, mit dem Zusatz, der König habe sich wiederholt geäußert, daß er sich freue, mich wiederzusehen ...

5) Montag ... Etwa um 11 Uhr kommt der König Ludwig mit der verwittweten Königin ... Der König begrüßt mich mit größter Freundlichkeit. Er sieht gut aus, nur sind seine Bewegungen etwas milder geworden, als sie sonst es waren. Wir betreten zunächst den Kuppelsaal und besichtigen von da aus die Säle der Italiener. Der König sieht mit großer Theilnahme und Aufmerksamkeit, und ich kann hinzufügen, mit sehr viel Urtheil. Vor der Rafaelschen Madonna verweilt er lange. Er erklärt sich sehr zufrieden mit der Aufstellung. Sodann begeben wir uns in die kleinen Gemächer, wo ihn besonders der Arzt des Correggio, die heilige Margaretha und dann der Zinsgroschen ansprechen. Die Claudes sind die letzten Bilder, die er mit großer Aufmerksamkeit betrachtet. Er erklärt damit für heute beschließen zu wollen ... Da indessen die Wagen noch nicht eingetroffen sind, so besieht der König noch die Pastelle, die Canalettos und die Miniaturen ... Einige Aeußerungen des Königs will ich hier bemerken. Er sagte mir, seine Absicht sei gewesen, mich zum Direktor der Central-Gemälde-Galerie in München zu machen, wenn ich dort geblieben wäre. Sodann: Kaulbach hätte er nie zum Direktor der Akademie gemacht, diese Stelle habe er Schwanthaler zugedacht gehabt. Kaulbach sei ein Mensch, der etwas Dämonisches habe ...

6) Dienstag ... Die Herrschaften kommen etwa 1/2 11 Uhr. Der König ist gegen mich womöglich noch freundlicher als gestern ... Durch das Rafael-Zimmer begeben wir uns in die kleinen Abtheilungen, verweilen vor Correggios Arzt, vor dem Zinsgroschen und vor den Claudes. Dann setzen wir den Gang fort, wo er gestern beschlossen wurde. Der König widmet nun auch den Wouwermann, den Berchem und besonders dem Ruysdael große Aufmerksamkeit. Rubens fesselt ihn mit dem Liebesgarten und den andern kleinen Bildern weniger als die Terburg, Ostade, Netscher, Mieris, Metzu. Ein längerer Aufenthalt wird Holbeins Madonna geweiht. Bei der Gelegenheit sollen auch Urtheile der Königin erwähnt werden. Sie meint: Holbeins Madonna sei ihr lieber als Rafaels Madonna, weil sie trostvoller für die Bedrängten erscheine. Vor der Rafaelschen Madonna sagte sie: hier erscheine ihr die Mutter Gottes als Himmelskönigin, aber nicht als Zuflucht der Sünder!!! Von dem Sohne ist nicht die Rede. Wie verkehrt! Gerade das ist das Große an dem Bilde, daß Maria nur als die Gottesträgerin erscheint, auf deren Armen das Kind wie auf einem Throne ruht und zwar mit dem Ausdruck einer Größe und Erhabenheit, welche Michael Angelos Adam gegenüber den zweiten Adam erkennen läßt, der wieder gut macht, was jener schlecht gemacht hat. Das ist meine evangelische Erläuterung des Bildes. Sixtus und Barbara repräsentieren die anbetende Menschheit nach ihren zwei Geschlechtern. Holbeins Madonna erscheint mir viel katholischer als die Rafaelsche. Nach der Abtheilung der Deutschen besichtigt der König die großen Säle der Niederländer, widmet vor allem dem Rembrandt große Aufmerksamkeit, dann schließt er mit der Betrachtung der Spanier. Murillos Rodrigo entzückt ihn. Die Erwerbung unserer Spanier aus dem Nachlaß Louis Philipps erscheint ihm ein großer Glücksfall, in Betracht der bezahlten 4000 und einige hundert wie geschenkt ...

9) Freitag. Die „Bekanntmachung“ wegen des Verkaufs der 200 Vorathsbilder habe ich geschrieben. Ob sie dem Herrn Minister recht sein wird, ist nun eine

andere Frage. Sie wird ihm vielleicht zu lang erscheinen


  1. Vergl. oben unter dem 17. Mai 1858.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fußnote auch auf Seite 139 angegeben
  2. Zeichen nicht lesbar
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/147&oldid=- (Version vom 9.9.2024)