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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/164

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Originale von Rigaud, der Kopf nach Mengs, wie er sich in der Gemäldegalerie befindet; 4. Maria Josepha, Gemahlin Augusts III., nach dem Originale von Graf Rotari im Josephinenstifte. Neben diesem Ballsaale liegen zwei Zimmer, von denen das hinterste von den früheren Besitzern als Kapelle benutzt wurde. Der zweite große Saal ist mit kostbaren Gobelins, welche allerdings im Laufe der Jahre sehr gelitten haben, ausgestattet. Die Fenster schauen nach dem früheren Botanischen Garten. In dem Saale finden sich Spiegel mit reich geschnitzten und vergoldeten Rahmen und Pfeilertischchen von Marmor. An der Westseite stehen noch jetzt große Buffettafeln mit Marmorplatten. Die Wände sind mit den sechs großen flandrischen Gobelins geschmückt, welche mit reichgeschnitzten vergoldeten Holzbordüren umgeben sind und bäuerliche Szenen darstellen: ein Kirchweihfest; einen Bauerntanz; Rückkehr von der Kirmeß; Leben am Strande; Hirten und Vieh auf der Weide; Schlittschuhläufer, Schweinschlachten, Winterlandschaft u. s. w.[1]. Die Gobelins sind, wie eine Inschrift sagt, nach Zeichnungen des berühmten Malers David Teniers d. J. (1610 bis 1690) ausgeführt und aus der Gobelinweberei der Familie van dem Borcht in Brüssel hervorgegangen; sie wurden, wie Gurlitt annimmt, wahrscheinlich Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts von Gaspard und Jacques van dem Borcht gefertigt. Es ist anzunehmen, daß sie ein Geschenk der Fürstin von Teschen an ihren Sohn, den Chevalier de Saxe, sind.

Ueber den Thüren dieses Saales befinden sich Oelgemälde, gemalt von Louis de Silvestre (geb. zu Paris 1675, gest. daselbst 1760 – war von 1715 bis 1748 am sächsischen Hofe thätig) oder, wie Gurlitt vermuthet, Kopien nach Silvestre von Giovanni Battista Casanova. Die Gemälde stellen Szenen aus der Mythologie dar, so Venus und Vulkan, Ariadne und Bachus, Venus und Adonis, der Raub der Proserpina durch Pluto und der Dejanira durch Nessus.

Der venetianische Glaskronleuchter, der Marmorkamin, zwölf Rokokostühle, die sich noch heute in diesem Gobelinsaale befinden, stammen ebenfalls aus jener Zeit. Die Marmorbüste des Professors Kreyßig ist aus der Meisterhand des englischen Bildhauers Westmakot hervorgegangen, die zweite, den König August den Gerechten darstellend, wurde im Jahre 1818 vom Oberhofmeister von Gablenz der Akademie geschenkt. Noch andere Büsten, die Geh. Medizinalräthe Carus und Seiler darstellend, befinden sich ebenfalls im Gobelinsaale.

Es wird wenig Gebäude in unserer Stadt geben, in denen sich der ewige Wechsel der Zeiten und Verhältnisse in so drastischer Weise abgespielt hat, wie in dem Kurländischen Palais. Im höchsten Glanz erstrahlte es, als in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die prachtliebenden Könige von Polen mit ihren Damen, Günstlingen und Würdenträgern daselbst verkehrten, um Theil zu nehmen an den üppigen Festen und Belustigungen aller Art, welche von den Bewohnern und Besitzern des Palais veranstaltet wurden. Dort war es, wo die Feldmarschälle und Generale sich versammelten, um die Pläne zu berathen zu den verhängnißvollen Kriegen, die so namenloses Unglück über unser engeres Vaterland gebracht haben. Oftmals strahlte es im hellen Glanze der Illuminationslämpchen bei Festlichkeiten und Jubiläen, aber in schauerlicher Weise wurde es im Jahre 1760 von der Brandfackel des Siebenjährigen Krieges erleuchtet, durch welche vom 19. bis 21. Juli die Pirnaische Vorstadt in Flammen aufging. Zu anderen Zeiten hielten Humbug und Charlatanerie ihren Einzug im Palais und Mystiker und Geisterbeschwörer feierten daselbst, von fürstlichen Herren protegirt, scheinbare Triumphe. Und im schroffen Gegensatz dazu öffnete im Jahre 1818 das Palais seine Pforten der Chirurgisch-medizinischen Akademie, und von dieser Zeit an bis auf den heutigen Tag ist es eine Pflanzstätte exakter medizinischer Wissenschaft und Forschung geblieben. Noch heute vereinigen sich daselbst Aerzte, Naturforscher, und Medizinalbeamte zu ernster Arbeit; noch heute suchen daselbst alltäglich zahlreiche Kranke Heilung und Linderung ihrer Leiden in den Polikliniken, die ihnen in uneigennützigster Weise von verschiedenen Aerzten unserer Stadt gewährt wird. Möge das altehrwürdige Kurländische Palais noch lange Zeit dieser seiner jetzigen Bestimmung und friedlichen Arbeit dienen, möge es erhalten bleiben als eine Zierde unserer Stadt Dresden.


Eine Dresdner Kunstsammlung
vor 300 Jahren.
Von Dr. Viktor Hantzsch.

Zu Anfang des 17. Jahrhunderts befanden sich in Dresden zwei größere Kunstsammlungen, deren Reste noch heute in den Königlichen Museen für Kunst und Wissenschaft erhalten sind: die von Vater August um 1560 angelegte und durch den prachtliebenden Christian I. stark vermehrte Kurfürstliche Kunstkammer, die in sieben über den herrschaftlichen Gemächern des Dresdner Residenzschlosses gelegenen Zimmern aufgestellt war, und die von dem Hofarchitekten Johann Maria Nosseni zusammengebrachte Privatsammlung, die sich in dessen weitläufigem, jetzt längst verschwundenen Hause


  1. Leider sind diese wunderschönen Teppichwebereien vor einigen Monaten aus dem Kurländischen Palais entfernt worden und sollen im Kunstgewerbe-Museum Aufstellung finden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/164&oldid=- (Version vom 26.10.2024)