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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/214

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29) Donnerstag. Das Trachtenbuch von Hans Weigel, Formschneider in Nürnberg, das 1577 daselbst erschienen ist, zieht mich heute zeitig in das Museum. Die Absicht, im Kupferstichkabinet mir mehreres daraus zu zeichnen, gebe ich auf, da Gruner mir ein koloriertes Exemplar mit nach Hause geben will ...

Dezember.

1) Samstag. Eine Nachricht, die mir Hettner schon gestern in der Sitzung mittheilte, wird mir heute in der Frühe bestätiget. Bunsen ist am 28. November Morgens 5 1/4 Uhr aus diesem Leben geschieden und zwar, wie die Anzeige sagt, sanft, nach schweren, in christlicher Ergebung getragenen Leiden. Er starb im 70. Jahre. So hat denn der edle, treue, liebevolle Freund, der in einem reichen schönen Leben wie ein Aar fich emporgeschwungen, seine Fittiche gesenkt und zuletzt nach schwerem Kampf die Krone des ewigen Lebens sich errungen. Friede, Friede sei mit ihm! ...

3) Montag ... Von da gehe ich zu Langbein und bitte ihn, den neuen Abdruck meines Vorwortes [zur Bibel in Bildern] noch einmal durchzusehen. Mit meinem Zusatz in betreff des Festhaltens der Schöpfungsbilder und der Zuziehung der Offenbarung Johannis, welchen ich ihm vorlese, erklärt er sich sehr einverstanden ...

5) Mittwoch ... Ich sende den von Langbein noch einmal revidierten und mit ein paar Korrekturen versehenen Abdruck des Vorwortes zur Bibel an die Wigandsche Buchhandlung ...

8) Samstag ... Nachmittag nehme ich meine Luther-Zeichnung vor und zeichne einen neuen Kaiser hinein. Gegen Abend besucht uns Gaber und bleibt bis nach 7 Uhr. Er erzählt wieder viel von seinen Familien- und Ateliersverhältnissen. Es macht mich sehr traurig, daß das so schön aufblühende Atelier durch seine nächsten Verwandten ruiniert werden soll ...

9) Sonntag ... Ludwig zeichnet jetzt viel, größtentheils im Hinblick theatralischer Kostümierung. Es werden hierbei aber auch die herrlichen Flaxmanschen Umrisse benutzt ...

11) Dienstag ... Museum. Das Bildchen aus der Hofkapelle, in welchem Hübner den vermißten Clovio entdeckt zu haben glaubte und welches durch Vermittelung des Herrn Ministers von Zeschau in das Restaurationszimmer gebracht worden, ist von Lavinia Fontana, Tochter des Malers Prospero Fontana, anno 1585 gemalt. Es ist ein feines Bildchen, viel schöner als das in der Galerie befindliche Bild von dieser Künstlerin (Nr. 421). Im Kupferstichkabinet möchte ich den Weißkunig nachsehen, um einen für mein Bild passenden Thronsessel mit Baldachin zu finden. Dieses Werkchen befindet sich aber nicht in unserer Sammlung, doch werde ich es morgen durch Gruner in der Bibliothek der Königin Maria zu Gesichte bekommen ...

13) Donnerstag ... Kupferstichkabinet. Gruner hat mir den Weißkunig besorgt, und ich durchblättere in Gruners Kabinetchen dieses köstliche Buch, hier und da mir etwas skizzierend. Ich behalte mir aber vor, morgen noch einmal das Buch vorzunehmen. Ich wollte, ich könnte es zu Hause haben und recht viel daraus durchzeichnen. Es sind unvergleichlich schöne Sachen darin, und zwar auch was Komposition und Schönheit der Darstellung betrifft. Ich hatte das Buch in Wien vor etwa 40 Jahren in der Hand und erinnere mich des großen Eindrucks, den es auf mich machte. Die Einzelheiten waren aber meinem Gedächtniß entschwunden ...

14) Freitag ... Nachmittag kommen Juniors ... Es ist die Lucia von Lammermoor binnen wenig Tagen einstudiert worden und wird morgen aufgeführt. Dabei hat es allerlei Händel gesetzt, die wohl noch ihre Fortsetzung haben werden. Die Intendanz hat zwei Gäste zum Spiel herbeigerufen, ohne vorher über ihre Tüchtigkeit sich zu unterrichten. So hat man Ludwig zugemuthet, eine Rolle, die er selbst zum ersten Mal ausführt, mit einer Sängerin zu unternehmen, welche der Partie nicht gewachsen ist. Ludwig weigerte sich, in diese Falle einzugehen, und Herr von Lüttichau hat seiner festen Erklärung nachgegeben und die betreffende Partie der Jauner-Krall übergeben, mit welcher die Oper morgen zur Aufführung kommen wird ...

15) Samstag. Heute ist Rietschels Geburtstag. Da der edle Freund in den letzten Tagen wieder recht leidend und angegriffen war, wage ich es nicht, ihn persönlich aufzusuchen, schreibe ihm aber etliche Zeilen, in welchen ich meine und der Meinigen Wünsche für sein Wohl ausspreche ... 6 Uhr Theater, wo heute Lucia von Lammermoor aufgeführt wird ... Ludwigs Leistung ist eine vorzügliche, namentlich ist sein Spiel heute ganz ergreifend. Es fehlt nicht an großem und ungewöhnlich warmem Beifall.

17) Montag ... Der Artikel des Grafen Otto Baudissin über den Kunstverein[1] hat einen scharfen Gegenartikel seiten des Direktoriums hervorgerufen[2]. Ohne Frage wird es dabei nicht bleiben.

18) Dienstag ... In der Galerie ist Dr. Schäfer anwesend. Nachdem derselbe erst vor kurzem (Anzeiger Nr. 347, 12. Dez. 60) etwas über die „Ideen zur Ausschmückung des Korridors der Gemälde-Galerie“ (von Hübner) losgelassen hat, brütet derselbe schon wieder über einen Angriff auf dieses Projekt. – Nachmittag

beginne ich die Skizzen für Ludwig zu zeichnen, welche


  1. Dresdner Anzeiger vom 10. Dezember, S. 13.
  2. Dresdner Anzeiger vom 16. Dezember, S. 3.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/214&oldid=- (Version vom 13.9.2024)