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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/269

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XIII. Jahrgang          1904          Nr. 3.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1½ bis 3½ Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang
3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Zur Geschichte des geistigen Lebens in Dresden vor 300 Jahren.
Vortrag von Dr. Viktor Hantzsch.

Bekanntlich hat die Königlich Sächsische Kommission für Geschichte beschlossen, ein Werk über die Entwicklung des geistigen Lebens in Leipzig zu veröffentlichen. Für Dresden ist ein derartiges Unternehmen bisher nicht geplant. Es läßt sich nun zwar nicht leugnen, daß in Leipzig von jeher theils wegen der Universität, theils in Folge der ausgedehnten Handelsbeziehungen, die den Gesichtskreis der Bürgerschaft erweiterten, ein regeres Geistesleben als in unserer Stadt geblüht hat, aber trotzdem hat es auch bei uns seit dem 16. Jahrhundert nie an Gelehrten und Künstlern von Ruf gefehlt, deren Bedeutung für die Geisteskultur einmal zusammenfassend darzustellen nicht ohne Interesse sein würde. Natürlich kann es nicht die Aufgabe dieses Vortrags sein, einen Ueberblick über die Gesammtentwicklung des Dresdner Geisteslebens zu geben, vielmehr muß ich mich begnügen, einen Querschnitt durch einen bestimmten Zeitpunkt zu legen. Ich wähle aus äußeren Gründen die Zeit vor 300 Jahren, den Anfang des 17. Jahrhunderts.

Will man die lokale Geisteskultur jener Tage recht verstehen, so muß man sich zuvor den topographischen, politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Zustand kurz lichen Stadt Dresden... gestellet vnd beschrieben reimsweise durch vergegenwärtigen.

Dresden war damals eine zwar stark befestigte und ziemlich wohlgebaute, aber weder durch Zahl noch durch Reichthum ihrer Bewohner ausgezeichnete, sondern nur durch den Hof zu einiger Bedeutung gelangte Stadt. An Beschreibungen ihres Aussehens um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts fehlt es nicht. Mehrere Reisende haben sie um jene Zeit besucht und ihre Eindrücke allerdings ziemlich flüchtig aufgezeichnet. Auch Einheimische haben mit mehr Gründlichkeit Schilderungen ihrer Vaterstadt geliefert, so der Kurfürstliche Postbereiter Daniel Winzenberger[1], der Historiker Johann Frenzel[2] und der Kreuzschulrektor Tobias Simon[3], auf die ich später noch eingehen werde.

Was die politischen Verhältnisse anlangt, so hatte im September 1601 der Kuradministrator Friedrich Wilhelm von Weimar-Altenburg die Vormundschaft in die Hände des jungen Kurfürsten Christian II. niedergelegt. Leider war dieser nicht der geeignete Mann, um Sachsen vor den Gefahren zu retten, die von allen Seiten heranzogen. In seinem herkulischen Körper wohnte ein schwacher, wenig gebildeter Geist. Doch besaß er Interesse und auch ein gewisses Verständniß für Kunst und Wissenschaft. Seine Regierung begann unter wenig glücklichen Umständen, da es ihm zwar nicht an natürlicher Gutmüthigkeit, wohl aber an Erfahrung, weitem Blick und Thatkraft gebrach. Auferzogen in Haß gegen die Kalvinisten, die seinen Vater bethört hatten, schloß er sich unter völliger Verkennung der protestantischen Interessen nicht an den Pfalzgrafen, auch nicht an das schon damals der Lauheit in kirchlichen Dingen verdächtige


  1. Lobspruch der löblichen vnd weit berümbten Churfürstlichen Stadt Dreßden ... gestellet und beschrieben reimsweise durch Daniel Wintzenberger ... Im 1591. Jar ... (abgedruckt bei Weinart, Topographische Geschichte der Stadt Dresden, Dr. 1777–81, S. 29ff.)
  2. Synopsis geographica, Dresden 1592, Bl. 72–76. Dgl. Dresdner Geschichtsblätter 1897, S. 35f.
  3. Oratio de Dresda, urbe Misniae munitissima et ob aulam Electorum et Ducum Sax, celebratissima ... Dresdae 1622.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/269&oldid=- (Version vom 7.10.2024)