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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/271

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Herzen zugethan und eine Hauptsäule der Orthodoxie. An Fanatismus kamen ihm wenige gleich. Namentlich die Reformirten haßte er mit heißer Leidenschaft, und er hörte es gern, wenn man ihn den Hammer der Kalvinisten nannte. Im Privatleben dagegen war er mild und friedliebend. Unter Kurfürst August hatte er als Generalsuperintendent und Universitätsprofessor in Wittenberg gewirkt und sich energisch an der Durchführung der Konkordienformel betheiligt, die er für das Palladium der evangelischen Kirche erklärte. Als unter Christian I. der Philippismus sein Haupt erhob, mußte Leyser den Anfeindungen der Gegner weichen. Eine Anstellung in Braunschweig kam ihm sehr gelegen. Nachdem durch den Kuradministrator Friedrich Wilhelm[WS 1] der Kryptokalvinismus unterdrückt worden war, wurde er zunächst wieder in seine frühere Stellung nach Wittenberg und dann 1594 als Hofprediger nach Dresden berufen, wo er nun bis zu seinem Tode 1610 ungestört wirkte. Seine Hauptsorge war die Einführung des Religionseides auf das Konkordienbuch für alle Staatsdiener. An der Hinrichtung des Kanzlers Crell war er nicht ohne Schuld. Er hinterließ eine gewaltige Menge von Schriften, allerdings meist geringeren Umfangs: Leichenpredigten, theologische Disputationen, Streitschriften gegen die Kalvinisten, namentlich in Sachen der Gnadenwahl und des Exorzismus, den er leidenschaftlich verteidigte. Mehrere seiner Handschriften besitzt die Königliche Bibliothek. In der Sophienkirche liegt er begraben.

Weniger geistesgewaltig als Leyser war sein Kollege, der zweite Hofprediger Conrad Blatt[1], ein gewandter Redner, der sich namentlich bei den Frauen großer Beliebtheit erfreute. 1553 zu Dresden als Sohn eines Barbiers geboren, besuchte er die Kreuzschule und die Fürstenschule in Meißen, studirte in Wittenberg, wo er ein Schüler Leysers war, wurde dann Prediger in dem damals fast ganz evangelischen Tetschen und folgte 1592 einem Rufe als Diakonus an die Kreuzkirche seiner Vaterstadt. Hier hörte ihn der Kuradministrator und fand solches Wohlgefallen an seiner Beredtsamkeit, daß er ihn 1596 zum Hofprediger ernannte. Noch in den besten Jahren starb er bereits 1609 und wurde gleichfalls in der Sophienkirche beigesetzt. Da er keine vulkanische Natur wie Leyser war, mischte er sich nicht in dessen theologische Streitigkeiten. Er hinterließ einen Band ziemlich farbloser Predigten, denen man es jetzt noch anmerkt, daß sie nicht im Kampf um eine Weltanschauung, sondern in der behaglichen Ruhe des Studirzimmers entstanden sind.

Eine wesentlich temperamentvollere Persönlichkeit war der dritte Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg, ein Jesuitenschüler aus Wien, damals ein junger Mann im Anfang der zwanziger Jahre, der seine Berufung an den Dresdner Hof einigen mit abgeschmackten Schmeicheleien angefüllten Huldigungsschriften verdankte, die er dem Kurfürsten Christian II. bei seinem Regierungsantritt und seiner Hochzeit mit Hedwig von Dänemark übersandt hatte[2]. Sein Charakter ist so schwer verständlich, daß ihn noch keiner seiner Biographen völlig klarzulegen vermochte. Ein heißer Kopf wohnte bei ihm über einem kalten Herzen. Mit reicher Begabung und umfassendem Wissen verband er einwandfreie Rechtgläubigkeit und weltmännische Formen. Er liebte es, in auffallender Kleidung und kostbarem Goldschmuck einherzugehen. Kirchliche und höfische Zeremonien vollzog er mit gleicher Würde und anscheinend auch mit gleicher Befriedigung. Servil nach oben, zeigte er nach unten nicht selten Stolz, Härte und Anmaßung. Neben brennendem Ehrgeiz litt er an krankhafter Selbstüberschätzung. Er verglich sich gern mit den alttestamentlichen Propheten, nannte sich den Mund des Herrn und gab seine politischen Rathschläge für Orakelsprüche des heiligen Geistes aus. Am wohlsten fühlte er sich als Intrigant. Der Bestechung soll er sich nicht unzugänglich gezeigt haben. Er redete gern Böses von seinen Nächsten, vertrug es aber nicht, wenn ihm mit gleichem vergolten wurde. Seine Kollegen behandelte er nicht selten mit Rücksichtslosigkeit, und so wurde er bereits nach zweijährigem Wirken in Dresden nicht ohne ihr Zuthun als Superintendent nach Plauen im Vogtlande versetzt. Nach dem Tode seiner Gegner kehrte er 1613 als Oberhofprediger zurück und entfaltete nun 32 Jahre lang jene für Sachsen so verhängnißvolle Thätigkeit als Beichtvater und politischer Berather des Kurfürsten Johann Georg I. Mit den Papisten kreuzte er gelegentlich in literarischer Fehde die Klingen, seine ganze Brutalität aber entfaltete er im Kampfe gegen die verhaßten Kalvinisten, die er auf der Kanzel und in zahlreichen Streitschriften verunglimpfte. Als Schriftsteller war er äußerst fruchtbar, aber ungründlich, so daß selbst sein Hauptwerk, ein siebenbändiger Kommentar zur Apokalypse, an dem er 30 Jahre hindurch arbeitete, nur noch als Kuriosum betrachtet werden kann.

Als Hoe 1604 Dresden verließ, folgte ihm als dritter Hofprediger der wesentlich ältere Paul Jenisch[3] aus Annaberg, ein geduldiger und freundlicher Mann, der, wie es in seiner Leichenpredigt heißt, 18 Jahre in seiner Vaterstadt als Konrektor und Rektor den Schulstaub in

Anmerkungen

  1. Paul Jenisch, Leichpredigt, Beym Begräbnis ... Cunrad Blaten ... Dresden [1609]. Mit dem Bildnis Blatts in Holzschnitt.
  2. Panegyricus in electoratum et natalem ... Christiani II., Vitebergae 1601. – Saxoniae, Thuringiae, Misniae triumphus ... nuptiis Christiani II. ... et ... Hedvigis ... Dresdae [1601].
  3. Michael Niederstedter, Christliche Leichpredigt, Beym Begrebnis ... Pauli Jenisch ... Leipzig 1613. – Johann Schreiber, Carmina memoriae funebri ... Pauli Jenisii ... scripta ... Lipsiae 1613.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wilhem
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/271&oldid=- (Version vom 9.10.2024)