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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/277

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dem Amte des Oberhofpredigers verbunden. Diese kirchliche Oberbehörde hat nun in einseitigster Weise ihre Interessen vertreten, so daß meist nur theologische Werke angekauft wurden. Erst im 18. Jahrhundert gelang es, die gewaltigen Lücken in den andern Wissenschaften durch die Erwerbung der Brühlschen und Bünauschen Bibliothek einigermaßen auszufüllen. 1595 zählte man, wie ein noch vorhandener Katalog ausweist, 5668 Werke und 91 eingerahmte Landkarten und Kupferstiche. Die Bibliothekare waren um jene Zeit durchweg unbedeutende Männer, die in der Geschichte der Wissenschaften keinen Namen haben.

Der zweite wissenschaftliche Mittelpunkt Dresdens war damals neben der Bibliothek die Kurfürstliche Kunstkammer[1], deren Grundstock ebenfalls durch Kurfürst August zusammengebracht und die unter Christian I. und II. nicht unerheblich vermehrt wurde, wie die noch erhaltenen Inventare von 1587, 1595 und 1610 ausweisen. Diese Sammlung war in sieben Räumen des Schlosses untergebracht. Sie enthielt eine große Menge von meist werthvollen Gegenständen der verschiedensten Art: Erd- und Himmelsgloben, astronomische, mathematische und mechanische Kunstwerke, Meßinstrumente, Uhren aller Art, Automaten, Waffen und Geschützmodelle, schön gearbeitete, zum Theil vergoldete und ziselirte Werkzeuge für Tischler, Drechsler, Schlosser, Büchsenmacher, Goldschmiede, Münzschläger, Barbiere, Wundärzte, Gärtner und andere Handwerker, ferner Geräthe für Jäger, Fischer und Vogelsteller, sowie kostbare Schreibtische und andere Möbel. An den Wänden erblickte man zwischen Hirschgeweihen und anderen Thiergehörnen zahlreiche Werke der bildenden Kunst, Gemälde in Oel- und Wasserfarben, namentlich Fürstenbildnisse, eingerahmte Kupferstiche und Landkarten, Werke der Plastik aus Marmor, Alabaster, Bronze und Terrakotta, kleine Figuren aus Wachs, Thon und Gips, Schnitzereien aus Holz und Elfenbein, chinesische Porzellangeschirre und ähnliches. In Glaskästen und Schubfächern wurden Naturalien aller Art aufbewahrt: ausgestopfte Thiere, Schnecken und Muscheln, seltsame Gewächse, Mißgeburten, Perlen, Edelsteine, Erzstufen aus den kurfürstlichen Bergwerken und eine von Giovanni Maria Nosseni zusammengebrachte Sammlung sächsischer Marmorarten. Von der Decke hing ein drei Ellen langes Einhorn an goldener Kette hernieder, das als unschätzbares Werthstück galt. In einem Schranke standen außerdem mehr als 300 Kunstbücher, die sich zum großen Theil noch heute in der Königlichen Bibliothek befinden und deren prachtvolle gepreßte und reich vergoldete Lederbände wahre Meisterwerke des kunstreichen Hofbuchbinders Jakob Krause und seiner Nachfolger sind. Auch von den übrigen Inventarstücken der Kunstkammer haben sich viele in den Dresdner Sammlungen, namentlich im Grünen Gewölbe, im Historischen Museum und im Mathematisch-physikalischen Salon erhalten. Als Verwalter war um 1600 der Inspektor David Ußlaub thätig, ein freund des sogleich zu erwähnenden Paul Buchner und wie dieser ein gelernter Schraubenmacher, der sich der Architektur zugewendet hatte und 1592 unter den Erbauern des Schlosses Colditz genannt wird.

Eine Darstellung des geistigen Lebens unserer Stadt in jener Zeit würde sehr unvollständig sein, wenn man nicht auch der damals wirkenden Künstler gedenken wollte. Ich will deshalb in aller Kürze zunächst die wichtigsten bildenden Künstler, Baumeister, Bildhauer und Maler, dann die Kunsthandwerker, weiterhin die Musiker und endlich die wenigen Dichter vorzuführen suchen.

Unter den Baumeistern ragen Buchner und Nosseni hervor. Paul Buchner[2], ein Tischler und Schraubenmacher aus Nürnberg, hatte bei den großen Meistern seiner Vaterstadt und in den Niederlanden seine künstlerischen Fähigkeiten ausgebildet. 1558 kam er nach Dresden und trat in den Dienst des Kurfürsten August. Zunächst wurde er mit der Herstellung von Schrauben, Pressen, Wagen, Mühlwerken und ähnlichen Handwerkserzeugnissen beschäftigt. Auch schnitzte er mit geschickter Hand Modelle, die sich zum Theil noch erhalten haben, und vermittelte den Verkehr seines Herrn mit Wenzel Jamnitzer und anderen ihm nahestehenden Nürnberger Künstlern. Da er große Gewandtheit im Entwerfen von Plänen und Rissen besaß, wurde er beim Umbau der Festungswerke verwendet, den damals der welsche Graf Rochus von Lynar leitete. Diesen wußte er bald aus der Gunst des Kurfürsten zu verdrängen, so daß er Sachsen verließ und sich grollend nach Brandenburg zurückzog. Buchner übernahm nun die Leitung des Festungsbaues. Auch betheiligte er sich mit Rath und That an den Vorarbeiten für die Fürstengruft im Dom zu Freiberg. Eine wirklich großartige Thätigkeit entfaltete er aber erst unter Christian I. Für diesen prachtliebenden Fürsten erbaute er das neue Stallgebäude, das lange Zeit für ein Wunderwerk Dresdens galt. Andere seiner Werke sind das längst verschwundene Kaufhaus auf dem Neumarkte, das in die Luft geflogene Lusthaus auf der Jungfernbastei an Stelle des jetzigen Belvedere und das Schloßportal an der Schloßstraße. Auch in der Provinz war er vielfach beschäftigt. Beispielsweise rühren wesentliche Theile der Schlösser zu Colditz und Zabeltitz, sowie verschiedene

Anmerkungen

  1. V. Hantzsch, Beiträge zur älteren Geschichte der kurfürstlichen Kunstkammer in Dresden (Neues Archiv f. sächs. Geschichte 23, 1902, 220ff.).
  2. [August Buchner] Gedächtnis ... Paul Buchnern ... zu ehren auffgerichtet ... Wittembergk 1627. – C. Gurlitt, Paul Buchner (Dresdner Geschichtsblätter 1900, 249–260).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/277&oldid=- (Version vom 13.10.2024)