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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/282

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Dichtungen sind für uns ungenießbar. Sie knüpfen fast durchgängig an Geburtstage, Hochzeiten und ähnliche freudige oder traurige Familienereignisse im sächsischen Fürstenhause und in den Kreisen der Hofgesellschaft an. Was ihnen an Geist abgeht, suchen sie durch hohle Rhetorik zu ersetzen.

Der sympathischste unter den Dresdner Dichtern jener Zeit ist Nosseni. Wir besitzen von ihm zwei Gedichtsammlungen in seiner italienischen Muttersprache[1] und viele einzelne meist deutsche Gedichte. Zwar ist die Form oft mangelhaft und der Inhalt nicht selten armselig, aber über dem Ganzen liegt doch der Zauber der Stimmung. Man merkt es seinen Versen an, daß sie nicht mühsam ausgeflügelt, sondern vom Feuer des Temperaments und der Leidenschaft eingegeben sind. Durch manche geht ein übermüthiger, dionysischer Zug, über andere dagegen, in denen er seine persönlichen Verhältnisse streift, liegt eine müde, dumpfe Schwermuth. Vor allem drückte ihn als freier Künstler seine Dienstbarkeit. Ein feines Ohr hört in seinen Worten überall Kettengeklirr und hier und da einen Nothschrei nach Unabhängigkeit. Man merkt es ihm an, daß er sich nicht wohl fühlt unter den nordischen Barbaren, deren Brod er essen muß. Seine Seele friert nach der Sonne Italiens. Deutschland liebt er weder als Vater- noch als Mutterland, nicht einmal als das Land seiner Kinder, da er trotz dreimaliger Ehe ohne Nachkommen blieb. Das scheint neben der Heimathsehnsucht eine Hauptquelle seines Trübsinns gewesen zu sein.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Drei Jahrhunderte sind seit den Tagen verflossen, in denen jene Menschen lebten, die ich wenigstens andeutungsweise zu schildern versuchte. In diesen drei Jahrhunderten hat sich das geistige Leben auch in unserer Stadt mächtig entfaltet. Wir haben eine Kulturhöhe erreicht, die unsere Vorfahren niemals ahnen konnten. Wenn wir die Werke ihrer Wissenschaft und Kunst mit den Leistungen der Modernen vergleichen, so ist der riesige Fortschritt unverkennbar, und wir verwundern uns mit Recht über die primitiven Leistungen der Alten. Wenn wir aber tiefer blicken, so ändert sich der Eindruck. Die Tugenden und Laster, die Schwächen und Thorheiten, die Stimmungen und Leidenschaften jener versunkenen Generation, auch ihre Ideale und Wünsche, ihr Haß und ihre Liebe sind im Wesentlichen noch die unsern. Sie pflügten und besäten das Feld, auf dem wir jetzt ernten. Das Beste, was sie gedacht, geschaut und innerlich erlebt haben, gehört noch heute zum unveräußerlichen Erbgut unserer Kultur. Darum reichen wir ihnen im Geiste über drei Jahrhunderte hinweg die Hand und grüßen sie nicht nur als unsere Mitbürger, sondern auch als unsere Freunde.




Zur Geschichte des des Augustusbrückenzolls.
Von Stadtrath Dr. O. Lehmann.

Obwohl keine sichere Nachricht auf uns gekommen ist, so ist doch kaum zweifelhaft, daß der Augustusbrückenzoll ebenso alt ist wie die Brücke selbst, also bis zum Anfange der Stadt zurückgeht. Es lag nahe, von vornherein dafür zu sorgen, daß Mittel angesammelt wurden, um ein so kostspieliges Werk im Stande zu erhalten, und es darf wohl vermuthet werden, daß die durch die Erbauung der Brücke gebotene große Verkehrserleichterung von den sie benutzenden Personen hoch genug geschätzt wurde, um für die Instandhaltung des Bauwerks ein geringes Opfer zu bringen. In der ältesten erhalten gebliebenen Brückenamtsrechnung vom Jahre 1388[2] finden wir bereits Einnahmen aus dem Brückenzoll (percepta de ponte) im Betrage von 43 Schock 3 Groschen, eine für jene Zeiten sehr erhebliche Summe, wenn man bedenkt, daß 62 Jahre später, im Jahre 1450, einer der beiden Jahrestermine der städtischen direkten Steuer, des Geschosses, ziemlich genau das dreifache dieser Summe erbrachte[3]. Man darf hieraus schließen, daß die Sätze des Brückenzolltarifs nicht ganz niedrig waren. Letztere sind uns nicht bekannt, denn der älteste Tarif, – oder, wie man früher gut deutsch sagte: „Zollrolle“ – der sich im Rathsarchiv erhalten hat[4], stammt, wie wir sofort sehen werden, aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Gleichwohl spricht ein Umstand dafür, daß die genannte Zollrolle, wenn nicht die älteste, so doch sehr alt ist. Nicht beweiskräftig ist zwar die Behauptung des Rathes in einem an die Landesregierung am 10. Februar 1717 erstatteten Berichte[5], es sei der Zoll, von einer später zu erwähnenden Ausnahme abgesehen, nie erhöht worden, sondern es sei alles geblieben, denn diese Behauptung stimmt mit der strengen Wahrheit nicht überein. Auf hohes Alter läßt aber die in der Zollrolle enthaltene Bestimmung schließen, daß je drei Schöpse oder Schafe mit einem alten Pfennig zu verzollen seien, das Hundert demnach mit 3 Groschen 8 Pfennigen. Hiernach handelt


Anmerkungen

  1. Sonetti fatti in laude et honore della serenissima casa di Sassonia, Dresden 1602. – Sonetti et Stanze fatti a particulari con le risposte suopra li sonetti del Signoro Giovanbatista Ubaldino et de altri suoi amici. Dresden 1602. – Eine Sammlung italienischer Sonette Nossenis zum Lobe der Kurfürstin Sophie findet sich in der Handschrift J. 59 der Königlichen Bibliothek.
  2. Cod. dipl. Sax. reg. II, 5 S. 75flg.
  3. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Dresdens, Bd. III, S. 109.
  4. Rathsakten A. VI. 84b, Bl. 23flg.
  5. A. XVIII. 16, Bl. 4.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/282&oldid=- (Version vom 17.10.2024)