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aber auch die zu Neujahr 1891 erfolgte Eröffnung eines Stadtmuseums gewesen sein, das sich für Tausende als eine Quelle des Genusses und der Belehrung über die Geschichte unsrer Stadt erweist. In diesem Museum hat der Verein seine Bilder- und Alterthümersammlung aufgehen lassen, ebenso wie er bereits 1887 seine Bücherei zu Gunsten der Stadtbibliothek aufgelöst hatte. Nachdem diese gemeinschaftlich mit dem neuen Stadtmuseum im Herbst 1890 aus dem alten Polizeihause auf der Scheffelstraße nach dem ehemals gräflich Loßschen Palais auf der Kreuzstraße verlegt worden ist, hält der Verein seitdem hier, im Vorsaale der Stadtbibliothek, auch seine Versammlungen ab. Daß dieses stattliche Lokal die Zahl der zu den Vorträgen erscheinenden Mitglieder kaum noch zu fassen vermag, ist eine erfreuliche Erscheinung, die von der gegenwärtigen Blüthe des Vereins immer von neuem Zeugniß ablegt.

Zu dieser Blüthe werden die im Laufe der Zeit vorgenommenen Aenderungen in der Verfassung des Vereins wohl nur wenig beigetragen haben, sie sollen daher nur im Vorübergehen erwähnt sein. Durch das erneuerte Statut vom 14. November 1873 wurde der Mitgliedsbeitrag von 4 auf 6 Mark erhöht; das Statut vom 1. Februar 1878 gab dem Vereine die Form einer Genossenschaft mit dem Rechte einer juristischen Person; die neuesten Satzungen vom 18. Januar 1888 schafften das seit seiner Begründung von den Mitgliedern geforderte Eintrittsgeld ab und verwandelten den bisherigen, etwas umständlichen Namen in den einfacheren „Verein für Geschichte Dresdens“. Bei der Einführung der genossenschaftlichen Verfassung war es wohl hauptsächlich darauf abgesehen, die Zuwendung von Legaten zu erleichtern; leider ist von dieser Erleichterung bisher nur einmal Gebrauch gemacht worden, und zwar von dem 1882 verstorbenen Großkaufmann F. L. Gehe, der dem Vereine ein Vermächtniß von 500 Mark hinterließ.

Es muß darauf verzichtet werden, hier alle die Männer zu nennen, die sich durch Schenkungen, Forschungen, Vorträge, Sammeln, Agitiren und Verwalten um den Verein verdient gemacht haben. Nur die Namen der ersten vier Vorsitzenden – der fünfte ist noch im Amte – mögen hier Platz finden, weil sie gewissermaßen Perioden bezeichnen, nach denen die Geschichte des Vereins sich gliedert:

1869-1871 Appellationsrath C. H. Pietsch,
1871-1873 Advokat Carl Gautsch,
1873-1881 Geheimer Finanzrath Dr. Woldemar Freiherr von Biedermann,
1882-1883 Oberamtsrichter E. Th. Volgmann.

Der dritte von ihnen weilt zur Freude der Vereinsmitglieder noch in unverminderter Frische und Antheilnahme unter uns, die andern drei deckt längst der kühle Rasen. Und dahingegangen ist auch der treffliche Mann, unter dessen Leitung der Verein ins Leben trat und der das erste Jahrzehnt hindurch das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden versah: Bürgermeister Heinrich Moritz Neubert (geboren zu Ehrenfriedersdorf am 26. Dezember 1809, gestorben zu Dresden am 26. August 1881). Vorbereitet durch die Quellenstudien zu seinen auf geschichtlicher Grundlage aufgebauten Rechtsgutachten über städtische Verhältnisse, hat er in dem damals überwiegend aus Laien bestehenden Vereine die Forderung quellenmäßiger Behandlung unsrer Stadtgeschichte zur vollen Geltung gebracht und darin durch seine Forschungen vorbildlich gewirkt. Er war eine Zierde des Vereins, deshalb soll sein Bildniß diesen Rückblick zieren.

Und nun zum Schluß einen Ausblick. Seitdem unser nationales Sehnen erfüllt ist und der Deutsche sich wieder ohne Bitterkeit in die vaterländische Vorzeit vertiefen kann, haben die geschichtlichen Studien einen hohen Aufschwung genommen. Aller Voraussicht nach wird dieser noch andauern und auch den bescheidenen Bestrebungen unsers Vereins zugute kommen. Aber es können Zeiten eintreten, wo unser Volk in äußeren oder inneren Kämpfen um seinen Bestand ringen und alle seine Kräfte wieder auf das Zukünftige richten muß. Möge der Verein daher die günstige Zeit nutzen und mit den ihm jetzt reichlicher als je zufließenden Mitteln eifrig schaffen, zu Freude und Genuß seiner Mitglieder, zur Ehre unsrer Stadt und ihrer Bewohner, zur Förderung der Geschichtswissenschaft.

Dr. O. Richter. 


Der Frauenkirchhof,
Dresdens älteste Begräbnißstätte.
Von Dr. Otto Richter.

Der Platz, auf dem die Frauenkirche steht, sollte jedem Dresdner theuer sein: es ist die älteste christliche Kultusstätte und damit zugleich die älteste Kulturstätte auf dem Boden unsrer Stadt, denn Kirche und Kultur sind im frühen Mittelalter gleichbedeutend. Hier stand schon ein Kirchlein, als an eine Stadt Dresden noch nicht zu denken, als mit diesem Namen noch ein ärmliches Dorf, dicht vom Walde umgeben, benannt war. Das Alter der Frauenkirche reicht wohl bis ins 11. Jahrhundert zurück. Auch ohne die Ueberlieferung würde der Name jener benachbarten Ansiedelung, wo die Dresdner Pfarre bis zur Reformation ihren Grundbesitz hatte, der Name Poppitz, d. h. Pfarrhof, auf dieses hohe Alter der Kirche hindeuten, denn einen

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/131&oldid=- (Version vom 10.4.2024)