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slavischen Namen konnte der Pfarrhof nur in einer Zeit erhalten, wo die Sprache der Gegend noch überwiegend slavisch war, also nicht lange nach der Eroberung des Landes durch die Deutschen.

Ehrwürdig ist dieser Platz auch, weil während des Mittelalters alle unsre Vorfahren und viele noch bis in das vorige Jahrhundert hinein hier ihre letzte Ruhestätte fanden. Seit der frühesten Zeit wurden ja allerwärts die Todten auf dem die Kirche umgebenden Raume, dem Kirchhofe, und zum Theil in der Kirche selbst begraben. Aber nur die Pfarrkirche diente diesem Zwecke, wie auch ursprünglich nur in ihr die Sakramente gereicht werden durften. Unsre Frauenkirche ist, obwohl sie außerhalb der Stadtmauern lag, rechtlich bis zur Reformation die eigentliche Pfarrkirche gewesen; thatsächlich allerdings ist diese Eigenschaft schon gegen Ende des Mittelalters auf die größere und innerhalb der Stadt günstiger gelegene Kreuzkirche übergegangen. Diese genoß als Wallfahrts- und Gottesdienstkirche von jeher ein weit höheres Ansehen, aber hinsichtlich der Begräbnisse konnte sich die Frauenkirche ihr Vorrecht um so leichter wahren, als bei der Kreuzkirche zur Anlegung eines Friedhofes kein Platz war. Nur die Klöster und Spitäler durften im späteren Mittelalter ihre Insassen und die ihren Bruderschaften angehörigen Einwohner auf ihrem eignen Kirchhofe beisetzen, und den Friedhof des Bartholomäihospitals draußen vor dem Wilsdruffer Thore benutzte in Pestzeiten wohl auch die Bürgerschaft mit, um von ihrer Pfarrkirche die Ansteckungsgefahr fernzuhalten. Die Einrichtung anderer ständiger Friedhöfe aber, des Johanniskirchhofs und des Annenkirchhofs, fällt erst in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts.

In der Kirche selbst wurden ursprünglich nur die Geistlichen beerdigt, erst im späteren Mittelalter genossen diesen Vorzug auch Laien, wenn sie sich durch Stiftungen um die Kirche verdient gemacht hatten, und zuletzt alle Vornehmen und Begüterten gegen Zahlung hoher Gebühren. Grüfte gab es bis ins 16. Jahrhundert außen auf dem Kirchhofe nicht, und auch die Zahl der Grabstellen ließ sich nicht dem wachsenden Bedürfnisse entsprechend vergrößern, denn der Frauenkirchhof war auf der einen Seite vom Stadtgraben, auf der andern von der Rampischen-, Fischer- und Töpfergasse und dem Maternihospitale eingeengt. Deshalb konnte man keine sehr lange Zeit vergehen lassen, bis die alten Gräber wieder zu neuen Beerdigungen benutzt wurden. Die dabei ausgescharrten Gebeine wurden aber nicht beseitigt, sondern in einem auf dem Kirchhofe dazu angelegten tiefen Gewölbe sorgsam aufbewahrt, dem Beinhause, bei dem die Bruderschaft der Steinmetzen und Maurer zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen Altar gestiftet hatte.

Von der Pietät, mit der unsre Vorfahren in alter Zeit ihre Todten behandelten, zeugt auch die Feierlichkeit der Leichenbegängnisse. Sobald ein Todesfall eintrat, ließ die Familie ihn durch die Bitterin den Verwandten und Freunden ansagen und diese zur Beerdigung, die gewöhnlich schon am folgenden Tage stattfand, einladen. Am Beerdigungstage brachte man die Leiche zunächst nach der Kreuzkirche, wo ein Gottesdienst abgehalten wurde. Der Verstorbene lag, in ein Todtenkleid gehüllt, auf der Bahre; erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Sarg üblich. Darüber breitete man ein schwarzes, mit weißem Kreuz versehenes Leichentuch, das dann jedesmal der Kirche zufiel. Das Hinaustragen der Leiche galt als eine Liebespflicht der Familienangehörigen oder der Standes- und Berufsgenossen, insbesondere waren die Zünfte schon durch ihre Ordnungen verpflichtet, ihre Mitglieder und deren Frauen und Kinder zu Grabe zu tragen. In späterer Zeit wurde es Sitte, daß einzelne Zünfte, besonders die Schneider und Schuhmacher, auch das Hinaustragen Nichtzünftiger gegen Entgelt übernahmen. Ebenso waren die Zunftgenossen zur Begleitung des Sarges nach dem Friedhofe verpflichtet. Bei Vornehmeren ging die ganze Geistlichkeit mit den Schülern der Kreuzschule im Zuge. Die Begleiter trugen alle theils Kreuze, theils brennende Wachskerzen; später beschränkte man sich auf das Vorantragen eines Kreuzes, auch die Zahl der Kerzen wurde nach und nach auf wenige eingeschränkt. So bewegte sich der Trauerzug unter dem Klange der Glocken und dem Gesange lateinischer Kirchenlieder von der Kreuzkirche über den Markt nach der Frauengasse und durch das Frauenthor nach dem Friedhofe hinaus, wo das Geläute der kleinen Frauenkirchenglocke ihn empfing. Eine Gedächtnißrede wurde am Grabe nicht gehalten. Unter Gebet übergab man die Leiche dem Schooße der Erde, und die Theilnehmer kehrten ins Sterbehaus zurück, wo ein Leichenmahl die Feier beschloß. Für vornehme Personen wurden noch lange nachher an bestimmten Tagen kirchliche Begängnisse mit Seelenmessen gehalten, die mit Glockengeläute und bisweilen auch Prozessionen zur Kirche verbunden waren. Die Häufigkeit solcher Trauerfeiern trug viel dazu bei, daß der äußere Eindruck des mittelalterlichen Stadtlebens ein vorherrschend kirchlicher war. Ganz besonders muß der Platz um die Frauenkirche einen derartigen Anstrich gehabt haben.

Es war dies keineswegs eine bevorzugte Gegend der Stadt. Die umliegenden vorstädtischen Gassen bestanden aus ärmlichen, schindelgedeckten Holzhäuschen, die Kirche selbst war eine schmucklose, ziemlich quadratische Halle, der nur der im Jahre 1477 angebaute gothische Chor ein etwas reicheres Gepräge gab. Gegenüber dem Frauenthor und der Stadtmauer mit ihren kräftigen

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/132&oldid=- (Version vom 7.4.2024)