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Landschaft und der Pflanzenwelt in eine weihevolle Stimmung versetzen zu lassen. Dieses Naturgefühl war noch im vorigen Jahrhundert nur bei wenigen feineren Seelen, im Volke gar nicht vorhanden. Der einfache Bürger dachte nicht daran, in Gottes freier Natur Erholung von des Tages Arbeit zu suchen – er begnügte sich damit, plaudernd in der Stube oder vor dem Hause in enger Straße zu sitzen, und wenn er ja ein Gärtchen hatte, so zog er darin Bäume und Kräuter nicht um der Zierde, sondern um ihres Nutzens willen. Und so verstand er es auch nicht, seine Gräber mit dem Schmucke der Pflanzenwelt zu umkleiden. Alte Abbildungen des Frauenkirchhofs zeigen uns im freien Lande Stein an Stein am Boden liegend, dazwischen wenige Denkmäler und Kreuze aufgerichtet, aber keine Bäume und Ziersträucher, wie sie unsere Friedhöfe so anheimelnd gestalten. Wie nüchtern man den Friedhof trotz seiner herrlichen Kunstwerke ansah, läßt sich schon daraus erkennen, daß der Kirchner Michaelis aus der ihm zugestandenen Gräserei und den Gebühren für das Wäschetrocknen und Bettensömmern eine jährliche Einnahme von 40 bis 50 Thalern bezog.[1]

Der Kirchhof hatte außer zwei Nebenpförtchen vier Eingänge, und zwar gegenüber dem Jüdenhofe, bei der Töpfergasse und an der Rampischen Gasse, während der Haupteingang, durch den die Leichen getragen wurden, gegenüber der Pirnaischen Gasse (Landhausstraße) lag. Ueber dessen Thür erblickte man gemalte Todtengerippe mit der Ueberschrift: Vos qui transitis, nostri memores modo sitis; quod sumus, hoc eritis, fuimus quoque quod estis. Nicht weit davon lag der älteste bis zuletzt noch vorhandene Grabstein mit der Abbildung eines „alten Clericus“ und der Jahreszahl 1388, der sogenannte Mönchsstein, an den sich allerhand Aberglauben des Volkes anknüpfte. Sonst gingen die noch übrigen Denkmäler in ihrem Alter nicht über die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück. Auch das Grabdenkmal des 1527 gestorbenen Hofkaplans Hieronymus Emser, des streitbaren Gegners Martin Luthers, das ihn selbst bei dem zur Geißelung an die Säule gebundenen Heiland knieend dargestellt hatte, war nicht mehr erhalten. Dagegen befanden sich in der Kirche noch mehrere Epitaphien aus der Zeit vor der Reformation, unter ihnen das des vorletzten katholischen Pfarrers Laurentius Stumpf (gest. 1512), der auf einer im hohen Chor liegenden Messingplatte im Brustbild, den Kelch haltend, dargestellt war. Auch der erste evangelische Superintendent Joh. Cellarius (gest. 1542) und viele Geistliche späterer Zeit hatten dort ihre Ruhestätte, der gewöhnlich ihr auf Holz gemaltes Bildniß zum Schmuck diente.

Das hervorragendste Kunstwerk in der Kirche war der aus Sandstein gearbeitete Altar, 1584 als Epitaphium für den Hofmarschall Hans Georg von Krosigk von dessen Brüdern gestiftet. Er zeigte in der Mitte eine große Darstellung der Kreuzigung, darunter das Abendmahl, darüber das jüngste Gericht, zu beiden Seiten Geburt und Auferstehung Christi, das Ganze von vier korinthischen Säulen eingefaßt, über denen auf Simswerk die Figuren der vier Evangelisten standen, während in der Bekrönung Gott Vater im Brustbild und der heilige Geist als Taube erschienen. Das kostbare Werk war, wie eine oben an den Säulen angebrachte Inschrift besagte, eine Arbeit des aus Breslau gebürtigen berühmten Bildhauers Christoph Walther; es wurde beim Abbruch der Kirche in die Annenkirche übertragen und ist bei deren Zerstörung im Jahre 1760 mit untergegangen.

Aus dieser Blüthezeit der heimischen Bildhauerkunst waren noch zahlreiche andere Werke vorhanden. Das Denkmal für Wolf von Schönberg auf Neuensorge (gest. 1546) stellte den siegenden Christus auf Tod und Teufel tretend dar (eine ähnliche Marmorgruppe von einem Epitaphium in der Sophienkirche befindet sich im Stadtmuseum), darunter den Verstorbenen im Harnisch knieend. Auf dem Denkmal des 1547 verstorbenen Kaspar Ziegler auf Pillnitz war dieser im Harnisch vor dem Kruzifix knieend und darüber die Auferstehung Christi ausgehauen, eine noch bis tief ins 17. Jahrhundert hinein beliebte und meist von inniger Religiosität durchwehte Darstellung, wie sie auch das im Stadtmuseum aufbewahrte schöne Bronzeepitaphium für den Oberst Karl von Osterhausen zeigt. Zu den besten Arbeiten zählte ferner das Denkmal für den 1562 verstorbenen Ritter Günther von Bünau, von dem im vorigen Jahre das Mittelstück, eine Alabasterplatte, im Keller der jetzigen Frauenkirche glücklich wieder mit aufgefunden wurde. Dieses in zierlichen Formen gehaltene Alabasterrelief, dessen Umrahmung von Holz gearbeitet gewesen ist, zeigt unten den mit seiner trauernden Familie neben dem Gekreuzigten knieenden Ritter; hinter ihm links steht der Tod als Gerippe, in der einen Hand die Sanduhr, in der andern eine Reiterpistole haltend, mit der er den Ritter in den Rücken schießt – offenbar eine Hindeutung auf dessen Todesart. Um den Fuß des Kreuzes schlingt sich die Schlange, während rechts hinter der Wittwe der Teufel lauert, einen Pfeil auf sie schwingend. Neben ihr und dem Töchterchen gähnt der weit aufgerissene Rachen des breit hingelagerten Höllenhundes. Ueber dem Ganzen schwebt inmitten zahlreicher Engel der triumphirende Christus mit der Siegesfahne, in der Linken an den Ketten der Finsterniß Tod, Teufel und Schlange gefesselt haltend. In den Zwickelfeldern des


  1. B. II. 9 Bl. 89.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/135&oldid=- (Version vom 7.4.2024)