Seite:Dresdner Geschichtsblätter Erster Band.pdf/138

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Beseitigung der an die Kirchhofmauer angelehnten Wasserhäuser und Fischbuden, sondern auch einer Anzahl Schwibbögen und vieler Gräber besonders an der Stelle, wo die Stadtgeistlichkeit ihre Begräbnisse habe, nöthig mache; der ganze Kirchhof sei aber von den vielen Leichenresten geradezu erhöht und man werde keine Schaufel Erde aufwerfen können, ohne dabei menschliche Gebeine zu berühren und selbst erst kürzlich begrabene Todte in ihrer Ruhe zu stören, was manchen betrübenden Anblick bieten werde; er möge dafür Sorge tragen, daß diese Umstände bei dem Bauplane in Rücksicht gezogen würden. Statt diesen Vorstellungen wegen einer kleineren Zahl von Grabstätten Rechnung zu tragen, trat der König schon bald nachher mit seiner Absicht, den ganzen Kirchhof zu beseitigen, hervor. Am 21. November 1714 erging an das Oberkonsistorium der Befehl, niemand weiter auf den Frauenkirchhof begraben zu lassen und zu baldiger Wegschaffung der noch unverwesten Leichen Anstalt zu treffen. Das Oberkonsistorium unterließ nicht, im Sinne des Rathes und des Superintendenten Löscher hiergegen vorstellig zu werden, aber es hatte damit keinen Erfolg und sah sich am 14. Juni 1715 genöthigt, den königlichen Befehl dem Rathe zur Ausführung zuzufertigen.

Dieser setzte alles in Bewegung, um das Unheil doch noch abzuwenden. Am 15. Juni bat er den Vertrauten des Königs, den Geheimen Rath Grafen Vitzthum von Eckstädt, um seine Unterstützung in der Sache. Neben dem Umstande, daß die Aufhebung „den Einwohnern sehr zu Herzen gehe“, macht er in seinem Bittschreiben noch geltend, daß die Kirche eine jährliche Einnahme von 300 Thalern aus der Verlösung von Begräbnißstellen verliere, auch der Kirchner um seine Gefälle komme und eine erhöhte Besoldung werde erhalten müssen, und schließt mit folgendem Schmerzensschrei, der die damalige gedrückte Lage der Stadtbehörde deutlich genug erkennen läßt:

„Ihro Königl. Majestät gehorsamen wir in allen lediglich und verhüten Dero Ungnade nach äußersten Vermögen, haben aber doch auch das allerunterthänigste Vertrauen, es werden Selbe sich auch einsten über uns erbarmen und uns nicht gar succumbiren, sondern auf unsere so viele unerhöret liegende Bitten, darauf bishero entweder keine oder nur abschlägige resolutiones erfolget, zu conservation des Magistrats bei Dero hiesigen Residenzstadt allergnädigstes Gehör in hohen Königl. Gnaden widerfahren lassen.“

Einige Tage nachher, am 19. Juni, wandte sich der Rath mit der Bitte um Fürsprache auch noch an den Feldmarschall Grafen Flemming, der der Stadtverwaltung immer besonders gewogen gewesen war, und zwar wohl in höherem Grade, als es das bei seinem Amtsantritte als Gouverneur der Residenz ihm zu Gewinnung seiner Gunst überreichte übliche Douceur von 200 Dukaten erfordert hätte. Der Rath meldet ihm, heute sei mit der Ausräumung des dem Grundbau der neuen Hauptwache am nächsten stehenden Begräbnisses begonnen worden und man vermerke daher „eine große consternation unter denen Einwohnern und Abscheu vor dem Werke. Sie wollen es in Vergleichung mit dem, was von den Franzosen in Speier und Heidelberg durch violation der alten Gräber geschehen ist, setzen, welche That der König ungeschehen zu sein nachdem gewünscht hätte . . . Daß man dergleichen Sache in die Welt schriebe, dürfte I. K. Maj. künftig vielleicht auch nicht gerne sehen. Man hätte doch bei Derselben das höchsterleuchtete Königl. Gemüthe allezeit angemerket, daß, wenn von ihren actionen etwas ungleich aufgenommen werden wollen, Selbe durch öffentliche Anschläge es zu erläutern und widrige subsumption abzuwenden sich angelegen sein lassen.“

Der Feldmarschall sah sich außer Stande, hierin etwas für die Stadt zu thun, und ertheilte dem Rathe eine freundlich bedauernde Antwort, in der die bei Beurtheilung der Sache in Betracht kommenden Gesichtspunkte eine gute Beleuchtung erfahren. Sie lautet:

Hoch- und Wohl Edle, Großachtbare, Hoch- und Wohlgelahrte, auch
Hoch- und Wohlweise,
Hoch- und Vielgeehrte Herren,
Es ist mir E. E. Hochweisen Raths unterm 19. Juny an mich erlaßenes wohl worden, auß welchem Dero Vorstellung über den vorseyenden Corps de Garde Bau der Länge nach ersehen. Ich finde ermeldte Vorstellungen gantz ponderös, habe auch Zeit meines Gouvernements, da dieses werck ebenfallß vor war, durch gethane remonstrationes es von Zeit zu Zeit auffgehalten, glaube auch, es möchte vielleicht noch aufzuhalten gewesen seyn, wenn von Seiten des jetzigen Gouvernements gleiche Vorstellungen in Zeiten gethan worden. Allein es will sich in dergleichen Dingen niemand gerne risquiren, wenn man zumahl den Ernst, wie bey gegenwertigen Casu siehet. Solchem nach ist es nunmehro dahin kommen, wo man es itzo siehet, und Ihro Königl. Maytt. insistiren dermaßen uff der Execution dieses Baues, daß so sehr ich auch solchen noch in etwas zu differiren gesucht, ich doch endlich alle Hoffnung verlohren geben müßen, hierunter zu reüssiren.
Ich bedaure demnach, daß E. E. Hochweisen Rath und gesamter Stadt diesfallß denjenigen Dienst nicht erweisen können, welchen Sie durch mich zu erhalten das Vertrauen gehabt, und halte bey so gestalten Sachen, da das werck nicht mehr zu redressiren stehet, wohl gethan zu seyn, wann E. E. Hochweiser Rath der Bürgerschafft oder denen Interessenten bey diesen Begräbnissen durch trifftige gegenvorstellungen die so gar ungemeine aversion vor diese Sache zu benehmen suchet. Einmahl ist es doch in der Regle an dem, daß in Residenzen und Festungen sich nicht wohl Kirchhöfe schicken, und wo dergl. sind, Selbige nach und nach abgeschafft werden. Die Vergleichung dieses gegenwärtigen Vornehmens mit dem Kirchhoffe kann mit dem, was die Frantzosen in Speyer mit außwühlung der toden Cörper gethan, alhier nicht statt haben, denn jenes geschahe auß einem verbitterten gemüthe und zu Kränckung derjenigen, denen gedachte Cörper zugehörten oder nahe gingen, gegenwärtiges Unternehmen aber hatt keinen andern Endzweck als bloß dasjenige, was in andern
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/138&oldid=- (Version vom 10.4.2024)